Einführung der Inhalationsnarkose: Landwirtschaftskammer Niedersachsen zieht Zwischenbilanz

Knapp 1.100 Personen aus sauenhaltenden Betrieben haben seit Mai 2020 bereits an den zweitägigen Fortbildungskursen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) teilgenommen, um männliche Ferkel künftig ohne tierärztliche Begleitung schmerzfrei unter Betäubung zu kastrieren. So sieht es seit Jahresbeginn das novellierte Tierschutzgesetz vor.

Mehrere hundert Kursabsolvent*innen haben mittlerweile die finale praktische Prüfung abgelegt und vom örtlichen Veterinäramt die nötige Sachkundebescheinigung bekommen, damit sie bei ihren Ferkeln die Narkose mit dem Inhalationsgas Isofluran vornehmen dürfen. Die Betäubung war bislang Tierärzt*innen vorbehalten.

„Wir haben von den Kursteilnehmer*innen zahlreiche positive Rückmeldungen bekommen – auch erfahrene Tierhalter*innen konnten noch etwas dazulernen“, berichtet Dr. Heiko Janssen, bei der LWK Leiter des Sachgebiets Tierhaltung und einer der Organisator*innen des Fortbildungsangebots.

So funktioniert der gesamte Fortbildungsprozess:

Der/die Sauenhalter*in belegt bei den Tierärzt*innen des LWK-Schweinegesundheitsdienstes einen zweitägigen „Sachkundelehrgang Ferkelkastration mittels Inhalationsnarkose“ mit mündlicher und schriftlicher Prüfung. Anschließend darf er/sie unter Aufsicht eines Tierarztes oder einer Tierärztin auf dem eigenen Betrieb mit dem Narkosegerät üben.

Nach einem ausführlichen Nachweis der praktischen und theoretischen Fähigkeiten, die vom betreuenden Veterinär oder von der betreuenden Veterinärin bescheinigt werden, kann sich der/die Sauenhalter*in zur praktischen Prüfung anmelden, die der LWK-Schweinegesundheitsdienst abnimmt.

Wenn Narkotisieren und Kastrieren einwandfrei klappen und die Prüfung damit bestanden ist, kann der/die Sauenhalter*in bei der örtlichen Veterinärbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Sachkundenachweises stellen. Wird diese Bescheinigung erteilt, darf der/die Sauenhalter*in ohne tierärztliche Kontrolle kastrieren. Das Narkosemittel wird aber weiterhin vom Tierarzt oder der Tierärztin verschrieben.

Für die rund 1.700 sauenhaltenden Betriebe in Niedersachsen waren die Rahmenbedingungen beim Übergang von der Ferkelkastration ohne Betäubung zur Kastration unter Narkose nicht einfach: Sie haben derzeit mit besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch niedrige Preise und mit Absatzproblemen zu kämpfen. Neben den vielfältigen Hemmnissen durch die Corona-Pandemie benötigte das Fortbildungsangebot der LWK ein aufwändiges Anerkennungsverfahren, bis die Kurse starten durften.

Bei der Anschaffung der Narkosegeräte kam es zu Verzögerungen, weil die Geräte noch einen Zertifizierungsprozess bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zu durchlaufen hatten. Erst danach wurden die Geräte in größeren Mengen hergestellt und verkauft. So konnten viele Sauenhalter*innen erst im vierten Quartal 2020 auf dem eigenen Betrieb mit den praktischen Übungen beginnen.

Die Betriebe, in denen noch niemand über den Befähigungsnachweis zur Isofluran-Narkose ohne tierärztliche Begleitung verfügt, erledigen das Kastrieren für die Übergangszeit seit Jahresbeginn mit Unterstützung eines Veterinäres oder einer Veterinärin. Dieses Vorgehen bleibt auch auf Dauer erlaubt. Die Landwirtschaftskammer wird weiterhin Kurse anbieten, damit gewährleistet ist, dass das Personal aller betroffener Betriebe Gelegenheit zur Teilnahme und letztlich zum Erwerb des Befähigungsnachweises hat.

Während des Lockdowns zur Vorbeugung gegen eine Infektion mit dem Corona-Virus finden keine Kurse statt (Webseminare sind in diesem Fall leider nicht möglich). Sobald es rechtlich und gesundheitlich vertretbar ist, wird das Kursangebot wieder aufgenommen.

Es ist zu erwarten, dass weiterhin zahlreiche Betriebe ihre männlichen Ferkel kastrieren werden – sie haben am Markt zurzeit bessere Verkaufschancen als gemästete Eber, deren Fleisch unangenehm riechen kann, und als männliche Schweine, bei denen die Produktion der Sexualhormone mittels einer Impfung gehemmt wird.

Die Ferkelbetäubungssachkundeverordnung schreibt in § 6 vor, dass zur Aufrechterhaltung der Sachkunde alle drei beziehungsweise danach alle fünf Jahre sowohl eine neuerliche praktische Prüfung abzulegen ist, als auch alle drei beziehungsweise fünf Jahre eine mindestens zweistündige Fortbildungsveranstaltung zur Auffrischung der Kenntnisse zu besuchen ist. Die LWK wird solche Prüfungen und auch Fortbildungsveranstaltungen rechtzeitig anbieten.

Quelle: Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Bildquelle: Landwirtschaftskammer Niedersachsen


Entdecke mehr von Moderner Landwirt

Subscribe to get the latest posts sent to your email.