Mit einem meterlangen Regenwurm, Bannern und einem Informationsstand forderten Bäuerinnen und Bauern der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sowie der jungen AbL (jAbL) gestern beim Abend der Begegnung auf dem evangelischen Kirchentag die Kirche zu einer anderen Landvergabe auf. Unter dem Aktionsmotto „Jetzt ist die Zeit: Kirchenland gemeinwohlorientiert verpachten!“ appellierten sie, angelehnt an das Motto des Kirchentags 2023, an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Kirchenland zukünftig nach sozial-ökologischen Gemeinwohlkriterien zu verpachten. Die Kirche soll damit ihrem Auftrag der Schöpfungsbewahrung nachkommen und gemeinwohlorientierten landwirtschaftlichen Betrieben Zugang zu ihrem Land ermöglichen. 

Dr. Jan Brunner, Geschäftsführer der AbL Mitteldeutschland sagt hierzu: „Die Kirche hat eine besondere Verantwortung für die Vergabe und Nutzung ihres Agrarlands. Möchte sie die Schöpfung bewahren, kann eine Verpachtung rein nach Höchstgebot nicht ihr Anspruch sein. Gerade in Zeiten verschiedener Krisen wie der Klimakrise muss die Kirche dringend umdenken und Land an Bäuerinnen und Bauern vergeben, die das Land klima- und bodenschonend bewirtschaften. Darum ist genau jetzt die Zeit für die Kirche, ihr Land von nun an gemeinwohlorientiert zu vergeben.“

Die EKD und ihre Gliedkirchen besitzen etwa 325.000 Hektar Agrarland. Bislang wird Kirchenland i.d.R. an den Höchstbietenden oder an Bestandspächter:innen vergeben, sodass vielerorts Existenzgründer:innen und bäuerliche Betriebe (vor allem in Ostdeutschland) kaum Zugang zu diesem Land bekommen. Das ist besonders problematisch vor dem Hintergrund deutschlandweit steigender Boden- und Pachtpreise, die sich viele landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr leisten können und deshalb ihre Betriebe aufgeben müssen. Die Kirche könnte diesen Entwicklungen entgegensteuern, indem sie ihre Vergabepraxis verändern würde. 

Laura Hübner, angehende Landwirtin aus Eberswalde und Sprecherin der jungen AbL: „So wie zurzeit kirchliche Flächen verpachtet werden, haben junge und vielfältig ausgerichtete Betriebe kaum eine Chance. Dabei sind es besonders diese Betriebe, die durch ihr Engagement, die Direktvermarktung von regionalen Lebensmitteln und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde ein hohes Ansehen genießen. Wir fordern die Kirche auf, solche Leistungen durch eine bevorzugte Flächenvergabe an gemeinwohlorientierte Betriebe wertzuschätzen.“ Laura Hübner ergänzt zudem: „Ländliche Regionen, gerade in Ostdeutschland, veröden. Junge Menschen fehlen dort und in der Landwirtschaft. Die Kirche sollte daher Existenzgründer:innen fördern und diese bei der Landvergabe besonders berücksichtigen.“ 

Auch in der evangelischen Kirche und Gesellschaft gibt es vermehrt Stimmen, die eine veränderte Vergabepraxis fordern. Beispielsweise haben verschiedene Landeskirchen Leitfäden für ein gemeinwohlorientiertes Vergabeverfahren erarbeitet. Das große Problem ist jedoch, dass diese Leitfäden nur Handreichungen sind und selten angewendet werden. Es fehlt also insbesondere am Umsetzungswillen in den Kirchen. Dass eine gemeinwohlorientierte Vergabepraxis keine Utopie ist, zeigen die Vergabemodelle des Landes Thüringen und der Städte Kyritz und Erfurt. 

Jan Brunner wandte sich abschließend mit einem Appell an die Verantwortlichen in der Evangelischen Kirche: „Wir fordern Sie als Aktive in Kirchengemeinderäten, als Pfarrerinnen und Pfarrer, als Angestellte der kirchlichen Liegenschaftsämter auf: Setzen Sie eine Gemeinwohlverpachtung um. Zeigen Sie, dass die Kirche an die Zukunft denkt, und vergeben Sie ihr Land gemeinwohlorientiert.“

Quelle: Abl

Bildquelle: AbL


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