Anlässlich von drei Rechtsvorhaben, welche die Bundesregierung jüngst für die Schweinehaltung vorgelegt hat (Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, Anpassung des Baugesetzbuches, Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung), kommt die ISN zu einem vernichtenden Urteil: Werden die Vorhaben wie derzeit geplant umgesetzt, ist eine Verlagerung der Schweinehaltung ins Ausland sicher. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir muss sich endlich ehrlich machen, dass er nicht die Transformation, sondern ausschließlich den Abbau der Tierzahlen und die Verdrängung der Schweine haltenden Betriebe verfolgt.

„Ich bin seit 40 Jahren Schweinehalter, aber so viele Anrufe von verzweifelten Berufskollegen, die nicht mehr weiter wissen, habe ich noch nicht erlebt. Noch nie war die Angst der Bauern um ihre Betriebe so groß“, beschreibt Heinrich Dierkes, Vorsitzender der ISN die aktuelle Situation in der Schweinehaltung und resümiert: „Die Politik diskutiert seit über zehn Jahren über den Umbau der Tierhaltung und nachdem mit dem Borchert-Konzept ein breit getragener Konsens erreicht wurde –  zu dem auch wir uns bekannt haben – wird in Berlin nun wieder alles zerschlagen. Das Vertrauen in die Politik von Landwirtschafts­minister Cem Özdemir ist durch sein Handeln komplett verloren gegangen.“

Dabei hat Minister Özdemir in Bezug auf den Umbau der Tierhaltung immer wieder wohlklingende Worte gefunden.

„Zukunfts­fest kann landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland nur dann sein, wenn sie Landwirten eine Perspektive bietet, die ihnen auch ein gutes Einkommen ermöglicht“, erklärte Özdemir auf der Pressekonferenz zu den Eckpunkten einer staatlichen Tierhaltungs­kennzeichnung. In einem weiteren Interview betonte er: „Jeder Hof, der dichtmacht, ist ein Verlust für die Vielfalt und Stärke des ländlichen Raums.“

„Herr Özdemir stellt sich selbst als Macher dar, der die Ärmel hochkrempelt und Perspektive und sichere Einkommen für die Landwirte schaffen will. Doch wenn man den wohlklingenden Worten des Ministers seine Taten gegenüberstellt, ist das genaue Gegenteil der Fall“, lautet das Urteil von Heinrich Dierkes. „Tatsache ist, dass Herr Özdemir mit den drei Rechtsvorhaben den Bauernfamilien den wirtschaftlichen Boden für ihre Betriebe unter den Füßen wegreißt! Alle Vorhaben sind komplett unabgestimmt. Das betrifft sowohl Beratungsgremien wie das Kompetenznetzwerk rund um Herrn Borchert und erst recht die fehlende Rückkopplung mit der Landwirtschaft – also den betroffenen Bauern! Dass es aus diesen Reihen und obendrein aus dem Bundesrat einhellige und massive Kritik gibt, scheint ihn jedoch nicht zu interessieren.“

„Die Heuchelei wird besonders auch durch die zuletzt dargelegten Eckpunkte des Bundesprogramms zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung deutlich. Abgesehen davon, dass die geplante Förderung für die Mehrheit der Schweinehalter kaum erreichbar ist, zeigen unsere Kalkulationen, dass beispielsweise ein Sauenhalter, der die Förderung in Anspruch nimmt, am Ende durch die hohen Förderbedingungen sogar deutlicher weniger Geld in der Tasche hat, als wenn er sie nicht in Anspruch genommen hätte. Das ist absurd!“, kritisiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack und weiter: „Diese Förderung dient nur wenigen Betrieben – z.B. Biobetrieben – die aufgrund der bereits bestehenden Betriebsstruktur einen Mitnahmeeffekt nutzen können.“ Staack ergänzt: „So können die Schweine­halter den geforderten Umbau nicht bezahlen, denn erst recht angesichts der hohen Inflation lassen sich die notwendigen und deutlichen Preissteigerungen am Markt nicht durchsetzen.“

„Daran zeigt sich deutlich, dass es dem Bundesminister nicht um die Transformation, sondern ausschließlich um den Abbau der Tierzahlen und die Verdrängung der Schweine haltenden Betriebe geht“, empört sich Dierkes und fordert: „Hier muss sich Herr Özdemir endlich ehrlich machen! Also Schluss mit der Heuchelei! Wer vorhat, die tierhaltenden Betriebe in Deutschland abzuschaffen, der sollte den Bauern dabei in die Augen gucken und ihnen genauso wie der Öffentlichkeit das ehrlich sagen.“

„Vergessen wir nicht, speziell die schweinehaltenden Betriebe gehen seit über zwei Jahren wirtschaftlich auf dem Zahnfleisch. Wird obendrein das Paket dieser drei Rechtsvorhaben unverändert umgesetzt, dann ist das Aus vieler Betriebe sicher. Dieser Kahlschlag geht einher mit erheblichen Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzverlusten auch im vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereich im ländlichen Raum. Minister Özdemir wird sich dann fragen lassen müssen, warum er trotz aller begründeter und fachlicher Kritik von allen Seiten trotzdem so gehandelt hat – hier geht es schließlich um Bauernfamilien, die ihr Einkommen und somit ihre Existenzgrundlage verlieren“, resümiert Staack.

Die zentralen Kritikpunkte an den jüngsten Rechtsvorhaben

  • Mit dem geplanten Tierhaltungskennzeichnungsgesetz werden hiesige Schweinehalter erheblich benachteiligt und Verbraucher getäuscht, weil im Ausland erzeugte Ware nicht ge­kenn­zeichnet werden muss. Deutsches Schweinfleisch muss so mit auslän­dischem Fleisch konkurrieren, das unterhalb des deutschen Standards kostengünstiger erzeugt werden kann. 
  • Die geplante Änderung des Baugesetzbuchs zur bauplanungs­recht­lichen Erleichterung von Stallumbauten zu Tierwohl­zwecken ist für die Betriebe, welche die Transfor­mation stemmen sollen, nicht brauchbar, u.a. weil bauliche Veränderungen aus­schließlich in der bestehenden Gebäudehülle möglich sind – heißt: Umbau nur mit deutlicher und sehr teurer Bestands­abstockung.
  • Die Eckpunkte zum Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung stellen eine Förderung in Aussicht, die für die meisten Betriebe durch gesetzte Hürden nicht erreichbar ist. Zudem übersteigen die Kosten der zusätzlichen Förder­bedin­gungen zumeist deutlich den Förderbetrag – eine Mogelpackung und Kostenfalle für die Betriebe.

Quelle: ISN

Bildquelle: ISN


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