Auf den Feldern der Ukraine reifen derzeit 22,48 Millionen Tonnen Brotweizen für die diesjährige Ernte heran. Dies geht aus aktuellen Berechnungen der BayWa Tochter VISTA Geowissenschaftliche Fernerkundung GmbH hervor, die seit 20 Jahren im Bereich der Fernerkundung forscht. Im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen vier Jahre bedeutet das einen Rückgang um 17 Prozent.

Professor Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG: „Die Daten zeigen, dass eine unterdurchschnittliche Ernte nicht mehr zu vermeiden ist. Das ist vor allem für die Menschen in den ärmsten Ländern eine Katastrophe. Es fehlen rund 20 Millionen Tonnen Weizen am Weltmarkt. Teile der Welt werden hungern. Ohne Öffnung der Häfen wird das Getreide nicht außer Landes kommen. Eine Zwischenlagerung ist unumgänglich, denn die Kapazitäten auf dem Landweg sind keine Alternative.”

Die Ladeleistung eines Schiffes entspricht der von 2.000 Lkw oder 30 Güterzügen. Es fehlt – auch angesichts des Fachkräftemangels – an Ressourcen, die weiten Wege zu den Ostsee- und Schwarzmeerhäfen treiben die ohnehin schon hohen Preise zusätzlich.

Die Transportkapazitäten auf dem Landweg sind begrenzt, zeitaufwändig und kostenintensiv. Die Grafik beziffert beispielhaft Entfernungen zu ausgewählten Alternativhäfen und damit verbundene Mehrkosten pro Tonne Getreide. Bildquelle: BayWa AG/Cefetra

Die bis auf Landkreise runter gebrochenen Daten können genutzt werden, um die kriegsbedingt eingeschränkten Ernte-Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo der Ertrag am höchsten ist”, sagt Dr. Heike Bach, Gründerin und Geschäftsführerin der VISTA. „Wir haben Hunderttausende von Satellitenbildern ausgewertet und einen ‘digitalen Zwilling’ der Landwirtschaft gebaut. So können wir nicht nur genau nachvollziehen, was auf den Feldern aktuell wächst, sondern auch zuverlässige Prognosen ableiten und Simulationen erstellen.“

“Die Daten sind für die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt von großem Wert. Personelle Ressourcen und Diesel sind aktuell entscheidende Mangelware. Durch die präzise Einschätzung des zu erwartenden Ertragsvolumens je Region könnten wir unsere Ernte und deren Lagerung genauer und sicherer planen. Dies wird die Ernährungssicherheit und das Exportpotenzial der Ukraine stärken“, berichtet Mariya Yaroshko vom Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialog aus Kiew.

Daten von höchster Relevanz
Die von der VISTA zur Verfügung gestellten Daten haben nicht nur für die Agrar-Experten der Ukraine, sondern auch für Hilfsorganisationen größte Relevanz. Sie lassen ein Urteil darüber zu, welche Mengen am Weltmarkt fehlen werden. “Die Unterstützung der am stärksten betroffenen Entwicklungsländer kann so fokussiert angegangen werden”, sagt Lutz. „Wir waren uns mit VISTA schnell einig, dass wir die Ertragsprognose für die Ukraine kostenlos zur Verfügung stellen.” Die BayWa und VISTA machen die Prognosen für Winterweizen, Wintergerste und Raps bis auf Oblast-Ebene zudem Institutionen wie der Weltbank, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO, interessierten Pressevertretern und Verbänden zugänglich. Dem ukrainischen Landwirtschaftsministerium stehen darüber hinaus noch detailliertere Auswertungen zur Verfügung.

Prognosen zum Erntefortschritt

 „Die Landwirte haben Übermenschliches geleistet, denn hätten sie nicht unter Einsatz ihres Lebens Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgebracht, wären die Pflanzen jetzt nicht in diesem Zustand“, sagt Lutz. Doch erst im Verlauf der Ernte werde sich zeigen, wie viele Felder tatsächlich befahrbar sind, denn Minen, Metallteile und auch Verunreinigungen könnten die Erträge noch weiter schmälern. Hier wird in den nächsten Wochen das Erntefortschritts-Monitoring der VISTA Klarheit bringen. Die Ernte hat bereits begonnen und wird bis Ende Juli dauern. Felder, die bis dahin nicht abgeerntet wurden, werden nicht nur im diesjährigen Ertrag fehlen, sondern auch für die Herbstaussaat nicht zur Verfügung stehen.

Die Grafik zeigt, wie viel Winterweizen im Juni in den jeweiligen Verwaltungseinheiten der Ukraine reift. Da ein Großteil davon in den östlichen Oblasten der Ukraine liegt, die am stärksten umkämpft sind, ist hier mit Ernteausfällen und Beschlagnahmungen zu rechnen. Bildquelle: BayWa AG/Cefetra

Die Prognosen im Detail

Das bereits 1995 gegründete Münchner Unternehmen VISTA hat vor fünf Jahren den Ypsilon Ertragsprognose Service entwickelt, der kontinuierlich den Aufwuchs von Getreide, Mais und Ölsaaten aus dem All beobachtet. Biomasseaufwuchs und Pflanzenentwicklung auf den einzelnen Feldern lassen sich bis auf 100 Quadratmeter genau und früher als aus anderen Quellen verfolgen.

Europaweit berechnet VISTA die zu erwartende Erntemenge – in diesem Jahr auch für die Ukraine. Die aktuelle Prognose: 22,48 Millionen Tonnen Winterweizen, 2,8 Millionen Tonnen Wintergerste und 3,31 Millionen Tonnen Raps.

Funktionsweise des Ypsilon Ertragsprognose Service

Grundlage der VISTA Ertragsprognosen sind die Aufnahmen der Satelliten aus dem Copernicus-Raumfahrtprogramm der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Diese umrunden die Erde in 786 Kilometern Höhe und liefern alle vier bis fünf Tage ein neues Bild. Die Europäische Kommission stellt die Daten für die zivile Nutzung grundsätzlich frei zur Verfügung. Die Spezialisten der VISTA machen sie mit ihren Berechnungsmodellen und Auswertungsmethoden aber erst nutzbar. Für landwirtschaftliche Prognosen werden im Vista eigenen Simulations-Modell neben Satellitendaten auch Wetterdaten, Bodenbeschaffenheit und Topografie berücksichtigt. Über 200 Parameter werden simuliert und durch Künstliche Intelligenz optimiert.

Über die VISTA GmbH

Die VISTA GmbH arbeitet seit über 20 Jahren mit optischen und Radar-Fernerkundungsdaten und macht diese in über 25 Ländern für ihre Auftraggeber und Kunden nutzbar. Dazu gehören sowohl internationale Institutionen wie die ESA und EU-Kommission, nationale Institutionen wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL, und diverse Landesbehörden als auch Privatkunden aus der Agrar- und Versicherungswirtschaft. Die Philosophie des Unternehmens ist, den globalen Fußabdruck der Landwirtschaft zu reduzieren und eine nachhaltige, klimaresiliente Nahrungsmittelproduktion zu unterstützen. Eigene IT-Lösungen zur Verarbeitung der großen Datenmengen sind dabei zentraler Bestandteil. Vista Lösungen, insbesondere im Bereich Smart Farming und Ertragsprognosen, sind seit Jahren auf dem Markt etabliert. Die Vista GmbH hat ihren Sitz in München und beschäftigt rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit 2017 gehört das Unternehmen zu 51 Prozent zur BayWa AG.

Quelle: VISTA GmbH

Bildquelle: BayWa AG/Cefetra


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