Weinhonig sucht man im Supermarkt vergebens. Als Tracht für Honigbienen ist die Blüte der Kulturrebe nicht attraktiv, die zuckerhaltigen Weinbeeren zum Ärger mancher Winzerinnen und Winzer jedoch schon, wenn aus ihnen süßer Saft austritt. Doch bei genauerer Betrachtung passen Wein und Bienen sehr wohl zusammen: Mehr als 170 Wildbienenarten fanden Forschende bei Erhebungen der Artenvielfalt im Steillagen-Weinbau an der Mosel.
Das ist eines der Ergebnisse eines elfjährigen Monitoring-Projekts, an dem mehrere Forschungseinrichtungen beteiligt waren, und das diesen besonderen Lebensraum unter die Lupe genommen hat. „Es hat sich gezeigt, dass in den Weinbergen eine überraschend große Wildbienenvielfalt zu finden ist. Das liegt weniger an den Weinreben selbst als an den kleinteiligen Strukturen und der für Bienen attraktiven Vegetation zwischen den Reben“, sagt Dr. André Krahner vom JKI, der im Rahmen seiner Doktorarbeit die Wildbienenvielfalt untersucht hat. Dabei erfasste er nicht nur die Artenvielfalt, sondern ermittelte zudem, welche Erfassungsmethoden für solche großangelegten Beobachtungskampagnen am besten geeignet sind (https://www.julius-kuehn.de/pressemitteilungen/pressemeldung/news/pi2021-08-wildbienenvielfalt-erfassen-auf-die-technik-kommt-es-an/).
Auch Schmetterlinge fühlen sich in Steillagen wohl. Allein im Klotten-Treiser-Moseltal konnten die Forschenden 58 Tagfalterarten bestimmen. 30 Prozent der nachgewiesenen Wildbienenarten sowie 52 Prozent der Tagfalterarten der Region gelten nach der Roten Liste Deutschlands (inkl. Vorwarnliste) als gefährdet. „Der Steillagenweinbau, insbesondere wenn er in Querterrassen mit blütenreichen Böschungen angelegt ist, ist ein Refugium für gefährdete Insektenarten“, fasst Prof. Dr. Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut (SDEI) in Müncheberg die Ergebnisse zusammen.
Und auch die untersuchten Sorten Riesling und Elbling, also die Reben selbst, kommen in bemerkenswerter Diversität vor. In den mehr als 1.600 in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim beprobten alten Rebstöcken (gepflanzt zwischen 1880 und 1944) fanden sich große Unterschiede in Eigenschaften wie Mostgewicht, Säurewert oder Traubenstruktur. „Diese genetische Vielfalt ist eine wichtige Quelle für die Anpassung dieser klassischen Rebsorten an sich ändernde Anbaubedingungen – zum Beispiel zur Anpassung an den Klimawandel“, sagt Dr. Matthias Porten vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel.
Neben den Erhebungen der Artenvielfalt haben die Forschenden untersucht, ob Weinbergsbrachen einen Infektionsherd für die Schwarzholzkrankheit darstellen. Denn die Flächen bieten nicht nur Nahrung für nützliche Insekten, sondern auch für die Überträger der Krankheit. „Dieser spezielle Lebensraum ist attraktiv für diverse wärmeliebende Zikadenarten, unter ihnen die Windenglasflügelzikade (Hyalesthes obsoletus) und die seltene Rosenglasflügelzikade (Reptalus panzeri), die beide die Schwarzholzkrankheit übertragen. Wir konnten jedoch zeigen, dass eine geschlossene Vegetationsdecke auf den Brachflächen das Infektionspotenzial deutlich verringert“, erklärt Dr. Michael Maixner vom Julius Kühn-Institut.
Aus den vielen Befunden des Langzeitprojekts wurden praktische Tipps für Winzerinnen und Winzer abgeleitet, die in einer kurzgefassten Handreichung „Biodiversität in Weinbausteillagen“ zusammengestellt wurden. Sie sollen helfen, die Insektenvielfalt zu fördern, das richtige Pflanzmaterial für den jeweiligen Weinberg auszuwählen und die Ausbreitung von Schädlingen und Rebenkrankheiten zu verhindern.
Zum Projekt
Das Projekt „Biodiversität in Weinbausteillagen – Wechselwirkungen zwischen Steillagenbewirtschaftung und Biodiversität unter Berücksichtigung der Ressourcensicherung“ startete im November 2011 und läuft Ende 2022 aus. Es wurde mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert über seinen Projektträger Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Projektpartner sind das Fachinstitut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau des Julius Kühn-Instituts am Standort Siebeldingen mit der Versuchsstation Bernkastel-Kues, das DLR-Mosel, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI).
Quelle: Julius Kühn-Institut (JKI)
Bildquelle: Julius Kühn-Institut (JKI) / André Krahne / Michael Maixner
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