Die Schweinebranche befindet sich aktuell in einem Spannungsfeld zwischen Frust und Zuversicht. Die ökonomische Situation hat sich für die schweinehaltenden Betriebe nach den Krisenjahren 2019 bis 2022 wieder deutlich verbessert. Trotzdem ist das Wirtschaftsklima in der Schweinehaltung äußerst schlecht. Nach wie vor beabsichtigen viele Schweinehalter auszusteigen. Hauptgrund sind immer neue und immer höhere Auflagen, immer mehr Bürokratie sowie fehlende Planungssicherheit und Perspektive.
Im Rahmen der ISN-Mitgliederversammlung in Osnabrück berichten ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes und ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack über die aktuelle Lage und stellen Forderungen an die Politik
Die Schweinehaltung in Deutschland hat in den vergangenen Krisenjahren eine bittere Ausstiegswelle erlebt. Allein in den letzten drei Jahren wurde die Schweineerzeugung hierzulande um ein Fünftel abgebaut. Inzwischen hat sich die ökonomische Situation auf den Betrieben wieder deutlich verbessert. Die Preise für Ferkel und Mastschweine bewegen sich seit dem vergangenen Jahr auf einem sehr hohen Niveau. Und auch die weiteren Preisaussichten sind angesichts der Rückgänge in der Erzeugung in Deutschland und in ganz Europa gut.
Bereits im Wirtschaftsklimaindex, der von der ISN im vergangenen Herbst veröffentlicht wurde und der auf den Antworten von rund 500 Schweinehaltern basiert, wurde die schlechte Stimmung unter den Schweinehaltern sehr deutlich. Die Investitionsbereitschaft in die Schweinehaltung ist demnach äußerst gering. Insbesondere die Arbeit der Bundesregierung wurde so schlecht bewertet, wie es schlechter kaum sein konnte. Als Hauptgrund für die Unzufriedenheit wurden die steigende Bürokratie, die fehlende Planungssicherheit und die stetig neuen und wechselnden Anforderungen angegeben. Genau diese Gründe führen weiter zum Ausstieg der Betriebe und spiegeln sich auch in den Bauernprotesten der letzten Monate wider.
Dr. Torsten Staack erläutert:
„Hintergrund der schlechten Stimmung ist auch die Kostenschraube, die durch politische Vorgaben immer weiter nach oben gedreht wird. So werden selbst die Rekorderlöse für Mastschweine und Ferkel wieder durch Kosten mehr als aufgefressen. Insbesondere die in den kommenden Jahren anstehenden großen Kostenblöcke, u.a. durch Tierhaltungs- und Emissionsauflagen sowie durch den Umbau auf höhere Haltungsstufen, machen den Schweinehaltern große Sorgen. Die hiesigen Schweinehalter sehen sich so einem unfairen Wettbewerb gegenüber ihren europäischen Berufskollegen ausgesetzt.“
Heinrich Dierkes ergänzt:
„Auf fast jeden von uns Schweinehaltern kommen hierzulande durch neue Auflagen zusätzliche Kosten von einer oder mehreren Millionen zu. Am Ende müssten die Erzeugerpreise um mindestens ein Viertel oder sogar noch deutlich mehr steigen, um das alles abzudecken. Dass eine derartige Preissteigerung dauerhaft kommen wird, daran zweifeln die meisten von uns“.
Dr. Torsten Staack erklärt an einem konkreten Beispiel:
„Die Tierhalter brauchen Klarheit, wie sie ihre Betriebe aufstellen sollen. Sie können nicht morgen ihre Ställe abdichten, um die Abluft zu filtern und die gleichen Ställe übermorgen für das Tierwohl wieder öffnen.“
Hierzu stellt Heinrich Dierkes fest:
„Und wenn dann die Bundesregierung auf dem Höhepunkt der Proteste auch noch die nächste Keule aus dem Ordnungsrecht zieht – gemeint ist die Änderung des Tierschutzgesetzes – obwohl wir die ganzen anderen Vorgaben noch gar nicht umsetzen konnten, dann sind die geäußerten Absichten zum Bürokratieabbau nur Gerede ohne Inhalt.“
„Aus der Brille eines Schweinehalters betrachtet, läuft die viel beschworene Transformation der Ställe mehr als unrund. Man könnte sagen, der Motor stottert nicht nur ordentlich, sondern der Karren wird von der Politik gerade vor die Wand gefahren. Wie kann es sein, dass sich verschiedene parallel erstellte Rechtsvorgaben bei überschneidenden Zuständigkeitsbereichen widersprechen? Immer wieder sehen wir politisches Stückwerk statt einem Gesamtkonzept.“
Hierzu geht der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes auf ein Beispiel ein:
„Auch wenn uns allen klar ist, dass die Finanzierung der hohen Zusatzkosten nicht allein über den Markt gelingen kann, bringen uns Teilvorschläge, wie sie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit der Abgabe auf Fleisch und Fleischprodukte ins Spiel gebracht hat, nicht weiter. Nicht, weil das kein sinnvolles Instrument sein kann, sondern weil es nicht zu Ende gedacht wurde und wieder nur Stückwerk produziert wird. Erst wenn klar geregelt wird, wie das Geld dann auch sicher bei uns Schweinehaltern ankommt und nicht im Bundeshaushalt verdampft, kann ein Schuh daraus werden.“
Heinrich Dierkes richtet deshalb seine Forderungen explizit an alle drei Parteien der Ampel-Regierung in Berlin:
„Wir brauchen einen Stopp neuer Rechtsvorgaben, bis wir die schon beschlossenen Vorgaben fristgerecht umgesetzt haben. Die Fraktionsspitzen müssen zudem beweisen, dass sie es mit dem Lösen der Stallumbaubremse ernst meinen! Es ist unerträglich, wie Vertreter der Regierungsparteien offen und ohne jeden Lösungswillen über die zentrale Frage der Finanzierung streiten. Dabei sind Aussagen darüber, wie und unter welchen Voraussetzungen die Bauern tatsächlich an das Geld kommen, unverzichtbar. Genauso ein echter Dialog mit den betroffenen Akteuren, die den Umbau meistern sollen. Beides fehlt derzeit noch!“ Weiter stellt Dierkes klar: „Nur ein Betrieb, der wirtschaftlich auf beiden Beinen steht, hat die Kraft zukünftige Herausforderungen und Veränderungen zu stemmen.“
Abschließend merkt Heinrich Dierkes an:
„Bisher sind wir immer dann vorangekommen, wenn die Wirtschaft am Zuge war und es konkret wurde.“ Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der diesjährigen ISN – Mitgliederversammlung mit Spitzenvertretern aus den in Deutschland führenden Schlachtunternehmen auf dem Podium darüber diskutiert, welche Anforderungen und Folgen sich aus den politischen Vorgaben für den Schweinefleischsektor und deren Strukturen ergeben. Thema ist besonders aber auch, wie die Vorgaben – beispielsweise zur Kennzeichnung von Fleisch oder zur Nachhaltigkeit und Klimaschutz praktikabel umgesetzt werden können. So stellt gerade die Haltungskennzeichnung beim Fleisch die ganze Kette vor große Herausforderungen besonders in der Logistik und der Fleischvermarktung. „Probleme bereitet auch hier zusätzlich das „Berliner Stückwerk“. So wissen beispielsweise weder die verantwortlichen Bundesländer noch die Wirtschaft, wohin die Tierhalter ihre Haltungsstufen melden müssen und wie die Kontrollen erfolgen werden. Dabei muss die Meldung der Schweinemäster spätestens zum 1. August 2024 – also in nicht einmal sechs Monaten – abgegeben sein“, ergänzt Dr. Torsten Staack.
Quelle: ISN
Bildquelle: ISN
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