Innovativ und doch praxisnah, so wie die Landwirte, die sich ganz auf den Kartoffelanbau spezialisiert haben, präsentieren sich auch die 250 Aussteller auf der Veranstaltung „Potato Europe“ auf dem Rittergut Bockerode. Die ganze Kette von der Züchtung der gesunden Erdäpfel über den Anbau bis zur Vermarktung hat sich am 7. und 8. September auf den Feldern südlich von Hannover versammelt, um neben den üblichen Messeständen die passenden Maschinen und Anbauverfahren auch praktisch vorzuführen. Beim Rundgang mit Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast und Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies waren die geplanten Einschränkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ein vorherrschendes Thema.

„Wenn wir keine Pflanzenschutzmittel mehr anwenden dürfen, können wir keine Kartoffeln mehr anbauen“, konstatierte Hennies. Neue Züchtungen kämen zwar mit der Hälfte an Pflanzenschutzmaßnahmen aus, aber ganz ohne eine Abwehrmöglichkeit gegen Krankheiten und Schädlinge werde es für die Kartoffelbauern schwierig. „Im Moment entscheidet die Politik darüber, ob und wie es mit dem Kartoffelanbau weitergeht“, bestätigte Otte-Kinast. Sie wünscht sich daher, dass mehr Politiker aus Berlin und Brüssel den Weg auf die Felder finden, um sich dort über die Wachstumsbedingungen der Lebensmittel zu informieren.

„Mit Kartoffeln werden die Menschen gesünder satt als mit Reis oder Hirse“, ist die Ministerin überzeugt. Die weltweit steigende Beliebtheit der leckeren Knollen hat auch Jörg Renatus vom Züchtungsunternehmern Europlant festgestellt. „Gerade im Afrika südlich der Sahara wurde der Kartoffelanbau stark ausgedehnt“, sagte er. Die Kartoffel könne daher ein Teil der Lösung in der weltweiten Ernährungsfrage sein. Der Anfang dafür wird häufig in deutschen Zuchtgärten gelegt. „Wenn der Anfang fehlt, fehlt aber auch das Ende“, spielt Renatus auf die drohenden schwierigen Verhältnisse in Deutschland an. Die geplanten europäischen Verbote im Pflanzenschutz beträfen in der Folge auch den Weltmarkt. „Aber Herausforderungen sind auch Chancen“, sagte er mit Blick auf die Innovationsfreude der Standbetreiber.

Diese präsentieren ihre Lösungen für die Probleme, die durch eine steigende Weltbevölkerung bei gleicher oder eher schrumpfender Fläche entstehen, unter anderem im Special „Smart-Potato-Farming“. „Dabei geht es vor allem darum, Pflanzenschutzmittel und Dünger effizienter auszubringen und die vorgeschriebene Dokumentation zu erleichtern“, erläutert Johannes Sonnen vom Anbieter DKE-DATA. Ebenso wie beim Smart Home sei auch beim Smart Farming von den Landwirten erstmal Zeit und Engagement gefragt, um die Technik auf den Trecker zu bringen. „Dafür wäre es gut, wenn die Lehrpläne in den Berufsschulen aktualisiert würden“, forderte er. Auch eine übergreifende Beratung würde helfen, die „letzte digitale Meile“ auf die Höfe zu überwinden.

Im Bereich „Verarbeitung und Vermarktung auf dem Hof“ geht es unter anderem um die Technik für Kleinstgebinde. „Das ist aufwändig und kostet Geld“, fasste Joachim Banse aus Wittingen zusammen. Der Landwirt berät auf der Messe Direktvermarkter und solche, die es werden wollen, mit Unterstützung der Vereinigung Norddeutscher Direktvermarkter. „Einen besseren Fußabdruck als regional und saisonal einzukaufen, kann man ja gar nicht hinlegen“, warb Otte-Kinast für den Einkauf auf dem Bauernhof.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die „Zwischenfrüchte und Querdammbegrünung im Kartoffelbau“. „Weil Kartoffeläcker am Hang erosionsgefährdet sind, sät eine spezielle Vorrichtung beim Legen der Kartoffeln Wintergerste zwischen die Dämme“, nennt Tim Meier von der Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung ein Beispiel. Die Wurzeln des Getreides hielten sowohl Erde als auch Wasser dort, wo es hingehöre. Durch den fehlenden Kältereiz bei der Aussaat im Frühjahr bleibe die Gerste zudem niedrig und stelle keine Konkurrenz zur Kartoffel dar.

Genau solche Erfindungen sieht Hennies durch das pauschale Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in großen Teilen Deutschlands bedroht. „Die, die sich schon jahrelang für den Erhalt der Umwelt eingesetzt haben und in deren Gegend die Natur dadurch besonders wertvoll ist, werden bestraft, während alle anderen so weitermachen dürfen wie bisher“, prangerte er die Ungerechtigkeit des kürzlich von der EU-Kommission vorgelegten Entwurfs einer „Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ an. Landwirte, aber auch Unternehmer der Kartoffelwirtschaft und des Kartoffelhandels, sind daher aufgerufen, der Politik die eigene, persönliche Betroffenheit bis zum 19. September 2022 mitzuteilen. 

Quelle: Landvolk Niedersachsen

Bildquelle: Landvolk Niedersachsen


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