Die Folgen der Klimakrise stellen die deutsche Landwirtschaft zunehmend vor ungeahnte Schwierigkeiten. Das zeigt ganz aktuell der amtliche Erntebericht 2022, den der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, am Freitag vorgestellt hat.
Regional heftige Regenfälle im Jahr 2021 und in diesem Jahr große Hitze sowie extreme Trockenheit und gelegentlich plötzliche Unwetter – all das hat die Bäuerinnen und Bauern von Region zu Region sehr unterschiedlich beschäftigt. Hinzu kommen die zunehmende Bodentrockenheit und sinkende Grundwasserstände in vielen Regionen aufgrund von insgesamt mangelnden Niederschlägen in den letzten Jahren.
Bundesminister Özdemir erklärte dazu: „Die Folgen der Klimakrise lassen sich inzwischen auf unseren Äckern und Weiden ablesen. Unser Erntebericht wird immer mehr zum Zeugnis der Klimakrise: Fast überall wurde dieses Jahr früher gedroschen, gerodet oder gepflückt. Was die Erträge angeht, sehen wir Licht und Schatten. Während für einige Regionen oder für bestimmte Kulturen gute Erträge gemeldet wurden, mussten Betriebe anderswo teils herbe Einbußen in Kauf nehmen. Der Bericht zeigt aber auch, dass sich einige Bäuerinnen und Bauern schon jetzt auf die Klimaveränderungen einstellen und zunehmend Sorten und Kulturen anbauen, die mit Hitze und Trockenheit besser umgehen können.“
Die Ernte fällt mit Blick in die verschiedenen Regionen und Kulturen sehr unterschiedlich aus: Bei Winterkulturen wie Weizen oder Raps, die früh geerntet werden konnten, sieht es unerwartet gut aus. So ernteten die Betriebe insgesamt mehr als im Vorjahr – die Pflanzen profitierten vielfach noch von den Niederschlägen im Herbst und Winter. Eine sehr schlechte Ernte zeichnet sich beim Körnermais ab, der aufgrund der späten Aussaat besonders unter der starken Trockenheit leidet. Ähnliches gilt für die Zuckerrüben. Auch das Grünland ist vielerorts von der Dürre gezeichnet, was weniger Futter bedeutet. Gute Erträge gibt es beim Obst, beispielsweise bei den Kirschen, auch die Apfelernte verspricht ein gutes Ergebnis. Und ich hoffe, dass wir nach Abschluss der diesjährigen Gemüsesaison auch bei Bio-Gemüse – wie im Vorjahr – wieder gute Wachstumsraten vermelden können.
Özdemir weiter: „Wir können dankbar und teilweise zufrieden sein mit der Ernte. Denn die Landwirtinnen und Landwirte haben dafür gesorgt, dass wir auch in Zeiten multipler Krisen gesundes und hochwertiges Essen auf dem Tisch haben. Perspektivisch wird es darum gehen, den Anteil regional erzeugter Produkte auch in anderen Sparten zu erhöhen. So wird inzwischen mehr Gemüse in Deutschland angebaut, das auch hier auf die Teller kommt. Die Landwirte setzen zudem zunehmend auf Eiweißpflanzen wie Erbsen oder Soja, um mehr heimisches Futter für unsere Tiere zu haben. Mit unserer Eiweißpflanzenstrategie wollen wir hier weitere Anreize setzen und klimaschädliche Soja-Importe aus Südamerika, für das dort Regenwälder abgeholzt werden, verzichtbar machen. Gut ist auch, dass schon viele Bäuerinnen und Bauern mit ihrer Anbauplanung auf das veränderte Klima reagieren. Melonen aus Franken oder Kichererbsen aus Bayern sind zwar noch eher Exoten. In Zukunft werden andere Kulturpflanzen oder Sorten, die Hitze oder Trockenheit besser vertragen, auf immer mehr Feldern eine wichtige Rolle spielen. Vergessen sollten wir aber auch nicht die Rückbesinnung als Altbewährtes wie beispielsweise Linsen von Alb.“
Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine beeinflusste auch die globalen Ernährungssysteme: Die Märkte reagierten auf drohende Knappheiten mit hohen Preisen. Auch Betriebsmittel wie Diesel, Dünger und Pestizide wurden teurer. Das wiederum verteuerte die Produktion. Diese Effekte bedingen zusammen mit dem Ernteergebnis das dementsprechende Angebot an Getreide, Gemüse und Co. und sorgen für gestiegene Lebensmittelpreise.
Bundesminister Özdemir betonte: „Die Preise steigen besonders dort, wo die Produktionskosten steigen. Hier liegt für uns ein wichtiger Hebel. Wir müssen die Landwirtschaft dabei unterstützen, unabhängiger zu werden – etwa von synthetischem Dünger, der energieintensiv hergestellt wird und vor allem von russischem Gas abhängig ist.“
Auch Schäden, die durch Klimafolgen entstehen, schlagen mächtig zu Buche. Einer Studie zufolge entstanden allein 2018 und 2019 durch Hitze und Trockenheit Schäden in Höhe von mehr als 25 Milliarden Euro; darunter entfielen 4,4 Milliarden Euro allein auf Ertragseinbußen in der Landwirtschaft. „Für mich bedeutet das: Vorbeugen ist besser als heilen. Investieren ist sinnvoller als Schäden ausgleichen,“ so Bundesminister Özdemir. „Wir setzen deshalb darauf, Bauern besser zu honorieren, die klima- und umweltfreundlich wirtschaften. Und auch dort zu steuern, wo viel Potential liegt, nämlich beim Verbrauch. 60 Prozent des Getreides landen aktuell im Trog statt auf dem Teller, weitere Pflanzen im Tank. Es wäre doch Harakiri, auf weitere Produktionssteigerungen zu setzen, die unsere natürlichen Grundlagen aufbrauchen und damit unsere Ernährungssicherung gefährden.“
Wichtigste Zahlen, Daten, Fakten aus dem Erntebericht 2022:
Getreide:
Die Getreideernte insgesamt (ohne Körnermais) wird sich voraussichtlich auf rund 39,7 Millionen Tonnen belaufen und fällt damit in diesem Jahr um 4,8 Prozent höher als im Vorjahr aus. Gegenüber dem sechsjährigen Durchschnitt ergibt sich eine Zunahme um 1,5 Prozent. Regional sieht das Bild jedoch sehr unterschiedlich aus. Die höchsten Zuwächse im mehrjährigen Vergleich weisen Schleswig-Holstein (+10,9 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (+8,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (+6,5 Prozent) und Niedersachsen (+6,2 Prozent) auf. Den mit Abstand stärksten Rückgang hat Bayern (-6,7 Prozent) zu verbuchen.
Winterweizen:
Die wichtigste und zudem die ertragreichste Getreidekultur ist in Deutschland nach wie vor der Winterweizen. Die Anbaufläche wurde gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,8 Prozent auf 2,89 Millionen Hektar erhöht. Damit entfallen 47 Prozent der gesamten Getreidefläche auf Winterweizen. Im Durchschnitt liegt der Hektarertrag bei 76,2 Dezitonnen. Die Erntemenge an Winterweizen erreicht damit etwas mehr als 22 Millionen Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das eine Zunahme um 4,6 Prozent. Hinter dem mehrjährigen Durchschnitt bleibt das Ergebnis jedoch um 0,8 Prozent zurück.
Körnermais:
Nach derzeitigem Stand, der sich auf Schätzungen aus sieben Bundesländern stützt, zeichnet sich ein durchschnittlicher Hektarertrag von rund 75 Dezitonnen ab. Damit würde sogar der Ertrag aus dem Dürrejahr 2018 (81,4 Dezitonnen je Hektar) noch unterschritten. Unter diesen Annahmen wäre eine Körnermaisernte von rund 3,5 Millionen Tonnen zu erwarten; dies wären 21,5 Prozent weniger als im Vorjahr und 12,7 Prozent weniger als im sechsjährigen Durchschnitt. Das schlechte Ergebnis beim Körnermais drückt die Gesamtbilanz der deutschen Getreideernte deutlich nach unten.
Raps:
Die Winterrapsernte 2022 fällt mit voraussichtlich fast 4,3 Millionen Tonnen insbesondere vor dem Hintergrund der diesjährigen Hitze und Trockenheit sehr erfreulich aus. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Mengenzuwachs um 22,3 Prozent. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2021 sind es 14,8 Prozent mehr.
Eiweißpflanzen:
Die Felderbsen sind die dominierende Körnerleguminose in Deutschland. Die noch vorläufigen Anbauzahlen für das Jahr 2022 belaufen sich auf rund 106.600 Hektar. Es folgen die Ackerbohnen mit rund 71.200 Hektar und die Süßlupinen mit rund 31.700 Hektar. Insgesamt, das heißt für die Summe aller vier vorstehend aufgeführten Kulturen, wächst die Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr um gut 19 Prozent auf rund 260.900 Hektar. Mit rund 50 Prozent fällt der Flächenzuwachs für die Sojabohnen am höchsten aus. Belastbare Schätzungen zu den aktuellen Ernteerträgen bei den Hülsenfrüchten sind derzeit noch nicht verfügbar.
Quelle: BMEL
Bildquelle: ML-Archiv
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