Gastbeitrag von Bauer Willi:

Ich bin aktuell zornig. Ich hatte vor kurzem ja wegen der 80%-Bodenbedeckung in der Landwirtschaftskammer nachgefragt und daraufhin das “GAP-Strategiepapier” zugeschickt bekommen. Das mit der Bodenbedeckung stand irgendwo auf Seite 300soundsoviel.

Das gesamte Papier hatte 1880 Seiten!!

GAP Strategieplan – Version 2.0

Hatte!!  Es wurde nämlich im November 2023 überarbeitet. Ein EU-Papier, das seit 2023 gültig ist, wurde im November 2023 aktualisiert.

Es hat nun 2218 Seiten!

GAP Strategieplan – Version 3.1

Mindestens 50 Seiten (ich hab sie nicht gezählt, erklären und korrigieren die Fehler, die man in der ersten Fassung gemacht hat. Kennt jemand von euch das erste Papier? Scherzfrage: hat jemand von euch das zweite Papier gelesen? Eben. Auch dieses Papier interessiert keine Sau. Ich möchte nicht wissen, wieviele Bürokraten in irgendwelchen Amtsstuben sich damit beschäftigen, die jeweiligen Teilstücke dieses Werkes zur Abstimmung, Ergänzung, Verabschiedung zuzuschicken und sich damit “beschäftigt” zu halten. Eine sinnvolle Arbeit ist das ja jedenfalls nicht. Leute, das ist Wahnsinn!

Es geht ab jetzt nicht mehr um Bürokratieabbau, es geht um eine Bürokratie-Revolution! Es braucht ein Abbruch-Unternehmen, dass mit der Abriss-Birne durch die Verwaltungen fährt.

Hier einmal ein paar Sinnlosigkeiten, die man morgen abschaffen kann

  1. Düngeverordnung: Unser Betrieb wirtschaftet auf 7 m Löß. Die Böden waren in den letzten Jahren unterhalb von 1 m ausgetrocknet. Eine Nitratauswaschung war in den Jahren unmöglich weil es zu trocken war. Eine ständig wasserführende Grundwasserschicht liegt bei uns aufgrund der Braunkohle-Tagebaue und deren Pumpen bei über 70 m. Über meinen Acker ein Rotes Gebiet zu legen ist wissenschaftlicher Unfug! Wann soll das Nitrat, dass ich eventuell zu viel gedüngt haben sollte, dort unten ankommen? In 100 Jahren? Vermutlich viel später. Also weg mit der Düngeverordnung! Die hilft niemand, macht nur Arbeit und ist wissenschaftlicher Unfug. Zumindest bei mir.
  2. Nährstoffbilanz: Ich kaufe meinen Dünger bei der Genossenschaft und bei einer Firma, die mir Gärrest mit Analyse liefert. Das sind vielleicht 10 Rechnungen im Jahr und da stehen alle meine importierten Nährstoffe drauf, die ich auf den Acker fahre. Ich verkaufe das Getreide und den Raps an die Genossenschaft, die Zuckerrüben an die Zuckerfabrik. Im Ergebnis habe ich xxx t Weizen, xx t Raps und xxx t Zuckerrüben. Damit habe ich eine definierte Menge Nährstoffe vom Acker gefahren. Daraus mache ich eine einfache Bilanz: was habe ich in meinen Betrieb an Nährstoffen importiert, was habe ich mit dem Erntegut exportiert. Die Bilanz kann jeder sehen, die kann ich auch, wenn das gewünscht wird, unter einer Nummer ins Internet stellen. Eine Düngebedarfsberechnung im Februar ist Schwachsinn, ich weiß doch seit 40 Jahren, welche Erträge ich plane. Für die Umwelt ist nur interessant, was hinten rauskommt. Für diese Bilanz brauche ich vielleicht zwei Stunden, weil mir die Genossenschaft und die Zuckerfabrik ihre Zahlen auch noch aufbereiten kann. Und ich kann nicht schummeln. So geht Vereinfachung! Soll ja keiner sagen, ich würde keine Vorschläge machen.
  3. Warum muss ich die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln innerhalb von wenigen Stunden in meine Schlagkartei eintragen? Niemand ausser mir hat darauf Zugriff! Warum soll ich schriftlich in meine Schlagkartei eintragen, warum ich die Maßnahme gemacht habe? Haltet ihr mich für blöd? Ich mache die, weil es nötig ist! Wenn ich ein Mittel gegen Blattläusen spritze, werde ich damit ja wohl kaum Mehltau bekämpfen wollen. Leute, ich hab das gelernt! Ich mache die Schlagkartei übrigens schon sehr viel länger, als es eure Vorschriften gibt. Weil ich die für mich brauche, als Nachschlagewerk und Archiv. Ihr wollt die nur lochen und abheften.
  4. Fruchtfolge: Auch so ein Thema, wo bei mir der Blutdruck steigt. Nein, ich baue keine Monokulturen an, wenn schon, dann Reinkulturen. Und das sind in unserer Betriebsgemeinschaft 5 Kulturen: Winterweizen, Wintergerste, Winterraps, Zuckerrüben und Kartoffeln. Wer sich auskennt: drei Winterungen, zwei Sommerungen. Keine Leguminosen. Das haben wir mal gemacht, aber Ackerbohnen und Erbsen sind sehr unsichere Kandidaten und deshalb haben wir es wieder sein lassen. Und wir werden es auch wohl erst wieder anfangen, wenn der Erlös pro Dezitonne in die Nähe des Rapspreises kommt. Anders rechnet es sich für uns nicht. Und ich lasse mir auch nicht von irgendeiner anonymen staatlichen Stelle eine Kultur, die sich für mich nicht rechnet, aufzwingen. Und wenn es sein muss, kann es sein, dass ich in dem ein oder anderen Jahr eine kleine Ecke Stoppelweizen mache. Davon geht die Welt nicht unter. Für einen Langzeitversuch habe ich sogar mal 10 Jahre hintereinander Winterweizen angebaut. Ohne jegliche negative Auswirkung.
  5. 80% Bodenbedeckung: ich wollte ja wissen, warum diese Zahl 80% und es konnte mir niemand erklären.  Und auch in dem Papier steht nichts, der mir, der seit 1983 den Betrieb vom Vater übernommen hat, aber auch davor schon denken konnte, erläutert was der Quatsch soll. Zu einem bestimmten Zeitpunkt soll der Acker Spuren von Wachstum aufweisen. Wenn da am Termin noch Zuckerrüben stehen, ist das ja Wachstum. Wenn der Roder drüber gefahren ist, sind die Rüben weg. Und jetzt kommt es: die Rübenblätter, die oben auf dem Acker liegen, werden als Begrünung definiert! Da fühlt man sich als jemand, der seinen Dr. agr. im Fach Pflanzenbau gemacht hat, von der Verwaltung ver…scht. Sorry, aber höflicher kann ich das nicht ausdrücken. Solche Regelungen müssen einfach weg.
  6. 4% Stillegung: Wozu soll die gut sein? Bisher hat mir das als Landwirt noch niemand erklärt. Da wird irgendwas von Biodiversität erzählt (klar, da steht dann in kürzester Zeit Unkraut), das soll irgendwie für Insekten gut sein (sagt mir mal einer, welche das sind?) und das der Boden dann ruhen kann (kann mir mal jemand einen unruhigen Boden zeigen?) Sie merken, ich reagiere da etwas zynisch, aber es zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze neue Agrarordnung, dass eigentlich niemand erklären kann, ob das alles, was wir da gerade veranstalten, überhaupt ein Ziel hat. Und falls ja, welches? Es wird auch nicht der Status Quo festgehalten und nach 5 Jahren geschaut, ob sich etwas zum Positiven verändert hat. Monitoring nennt man das, findet aber nicht statt. Und dann raten Sie mal, wer schuld ist, wenn Greenpeace nach 5 Jahren mit einer selbstgemachten Studie um die Ecke kommt, dass “ja alles nur noch schlimmer geworden ist”. Ob ich die 4% Stillegung mache? Mit Widerwillen, aber besser als ich es muss. Auf eigene Kosten. Ich weiß, ich bin bekloppt.
  7. Agrardiesel: Es ist zwar kein ganz großer bürokratischer Aufwand aber man könnte das Verfahren trotzdem vereinfachen. Weil es gerade in der Diskussion steht, könnt ihr ja mal ein paar Vorschläge machen.
  8. Überwachung durch den Staat: alle paar Tage fliegen ja die Satelliten über meine Felder und machen dort Aufnahmen. Von einem Berufskollegen, der Kartoffeln anbaut und auf die Ecken Blumenwiese gesät hatte, hab ich erfahren, dass er einen Anruf von der Kontrollbehörde bekommen hätte. Sie hätten da “Merkwürdigkeiten” festgestellt und wüssten gerne, was das denn sei. Er: “Blumenwiese”. Sie: “Ach so, können Sie uns davon ein Foto schicken, als Beleg?” Leute, das geht so nicht. Wenn ihr die Kontrollbehörde seid, dann kontrolliert uns doch und schickt uns nicht noch raus auf unseren eigenen Acker, damit wir unsere eigene Bienenweide fotografieren damit, ihr, die ihr nicht wisst, was ich gemacht habe, das bei euch abspeichern könnt. Und wozu eigentlich? Das ist doch Wahnsinn!

Tierhalter werden über meine Ausführungen nur lachen. Was dort passiert, geht wirklich nicht auf die berühmte Kuhhaut. Dass die eine Milliarde für den Stallumbau (verteilt über 4 Jahrewas selten dabei gesagt wird) überhaupt noch von den Tierhaltern in Anspruch genommen wird, darf bezweifelt werden. Die Bedingungen für einen Antrag sind so eng, dass viele für eine Antragsstellung überhaupt nicht in Frage kommen.

Und dann ist da noch die Motivation: Morgens um 5 Uhr in den Stall gehen, sich dort zur Versorgung der Bevölkerung den Arsch aufzureißen um dann um 9 Uhr beim Frühstück in der Post den Ablehnungsbescheid zu bekommen? Weil der von allen favorisierte Offenlaufstall 50 m zu nahe am Waldrand liegt. Da hast Du ein Jahr lang mit allen Behörden alles bis in Kleinste ausgekaspert, viel Geld für Baupläne und Genehmigungen ausgegeben, damit Du dann, kurz vor Schluss, von der jungen, regionalen Referentin ausgebremst wirst.  Und Du bist mit deiner Ohnmacht alleine…

Ob wir die Bürokratie-Revolution hinbekommen? Das hängt davon ab, wer alles mitmacht. Es gibt ja viele, die auch unter der Bürokratie leiden.

Das auch Hühner demnächst Ohrmarken bekommen sollen, ist übrigens ein Gerücht. Das es Warnwesten für Hühner gibt, nicht. Das erklärt uns hier der Agrarminischter.

Quelle: Bauer Willi

Bildquelle: Moderner Landwirt-Archiv


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