In der öffentlichen Debatte wird das Fleischessen vor allem von radikalen Veganern mittlerweile sehr emotional diskutiert. Nicht selten wird dabei beispielsweise von „Regalen voller Leichenteile“, „Massenmord“ und „Ausbeutung der Tiere“ gesprochen. Manche gehen sogar so weit, dass wir unsere Nutztiere heute genauso diskriminieren würden, wie wir es damals mit schwarzen Menschen oder Homosexuellen getan hätten (kein Scherz!). Weil wir problemlos auch ohne tierische Produkte leben könnten, so das Argument, sei es daher unmoralisch Tiere zu „ermorden“ (sic!) und Fleisch zu essen. Doch ist das wirklich so?

Fressen und gefressen werden

In unserer urbanen Gesellschaft vergessen wir nur allzu gern, dass Wildnis oder Natur für alle Lebewesen einen täglichen Überlebenskampf bedeuten. Es geht um fressen oder gefressen werden. Der Tod gehört zum Leben dazu. Die Natur ist brutaler als es so manchem Großstadtmenschen lieb sein dürfte. In der Biologie sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von sogenannten Nahrungsketten. Dabei handelt es sich um eine Reihenfolge von Lebewesen, bei der die einzelnen Glieder Nahrung für das nächsthöhere Glied darstellen. Ganz vereinfacht ausgedrückt stehen am Beginn von Nahrungsketten Pflanzen, dann folgen Pflanzen- und Fleischfresser. Am Ende der Kette steht oft ein Spitzenprädator. Es dürfte unumstritten sein, dass der Mensch seit etwa zwei Millionen Jahren der absolute Spitzenprädator ist. Diese Rolle konnte er sich durch seine Anpassungsfähigkeit und die Entwicklung immer effektiverer Jagdwaffen sichern. Aktueller Stand der Forschung ist, dass das Fleischessen das Hirnwachstum antrieb, ein gar nicht hoch genug bewertbarer Faktor unserer evolutionären Entwicklung. Mit Fug und Recht kann also behauptet werden, dass es für uns Menschen im wahrsten Sinne des Wortes natürlich ist, Tiere zu töten. Dementsprechend kann es grundsätzlich nicht als unmoralisch gelten, wenn wir Tiere aus sinnvollen Gründen töten.

Die neolithische Revolution

Mit dem allmählichen Wandel vom nomadisierenden Jäger und Sammler hin zum sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter, fand dann vor etwa 8.500 Jahren eine tiefgreifende Veränderung in der Menschheitsgeschichte statt. Damit begann die Domestikation wilder Pflanzen und Tiere, die seitdem gezielt gezüchtet werden. Dabei spielten Nutztiere von Anfang an eine besonders wichtige Rolle. Sie konnten Pflanzen und Lebensmittelabfälle verwerten, die nicht für die menschliche Ernährung geeignet waren. Rinder und Pferde erleichterten die schweren körperlichen Arbeiten bei der Bestellung der Felder. Mit ihrem Dung konnten die Ackerpflanzen gleichzeitig mit wichtigen Nährstoffen versorgt, die Bodenfruchtbarkeit erhalten und die Erträge erhöht werden. Und falls beispielweise Dürren oder Schädlinge die Ernten vernichteten, dann konnte man sie zur Not essen. Mit dieser Sesshaftigkeit wurde der Grundstein gelegt, der die Entwicklung unserer Zivilisation – und in Folge auch die gesellschaftliche Arbeitsteilung – erst ermöglichte. 

Ohne Tierhaltung geht es nicht

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Nutztiere nicht möglich ist. Nutztierhaltung und Ackerbau gehören untrennbar zusammen. Für die Tiere sind die Pflanzen die wichtigste Nahrungsquelle. Im Gegenzug liefern sie dem Ackerbau wertvollen Wirtschaftsdünger (Gülle, Mist), der dem Boden die bei der Pflanzenproduktion entzogenen Nährstoffe zurückbringt. Je weniger Wirtschaftsdünger vorhanden ist, desto mehr muss dieser durch weniger nachhaltigen Mineraldünger ersetzt werden. Dazu kommt, dass sich etwa 70 Prozent der weltweit landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nicht für den Ackerbau eignen. Wiederkäuer können das Gras auf diesen Flächen aber nutzen, um es in hochwertige eiweißreiche Nahrungsmittel und Wirtschaftsdünger zu verwandeln. Bei einem Ausstieg aus der Nutztierhaltung wären diese Flächen für die Ernährung verloren. Außerdem verwerten Nutztiere die für uns nicht essbare Biomasse. Pro Kilogramm essbarer Pflanze fallen etwa vier Kilogramm (z.B. Stängel, Presskuchen oder Blätter) davon an, die sonst ebenfalls für die Ernährung verloren wären. 

Eine Frage der Moral?

Kommen wir zurück auf die Ausgangsfrage. Diejenigen Menschen, die die Tötung empfindungsfähiger Tiere aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnen, werden sich wahrscheinlich nicht davon überzeugen lassen, dass ein Leben in der Natur für alle Tiere grundsätzlich aus Schmerzen, Leiden und Tod besteht. Für die von uns domestizierten Nutztiere gilt das erst recht. Sie würden keinen einzigen Tag in freier Wildbahn überleben. Wäre das moralischer? Und wo enden all diese Überlegungen? Ist es moralisch Haustiere zu halten? Alle diese theoretischen Fragestellungen führen zu nichts. Meines Erachtens ist es auch heutzutage moralisch nicht verwerflich ein Tier zu töten, solange es artgerecht gehalten wurde und die Schlachtung tiergerecht erfolgt. Hierzu besteht tatsächlich eine moralische Verpflichtung. In Deutschland sind die diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen strenger als in anderen europäischen Ländern und im Rest der Welt. Dazu kommen eine Vielzahl von freiwilligen Tierwohlprogrammen. Lassen Sie es sich also schmecken – am besten direkt vom Bauernhof 😉 – und ignorieren Sie die „Moralpredigten“ der radikalen Minderheiten. Es ist in erster Linie Ihre Entscheidung, wie Sie sich ernähren.

Quelle: Niklas Frohn

Bildquelle: ML-Archiv