In Büsum ging die Agrarministerkonferenz der Länder zu Ende. Bereits am Mittwoch startete Land schafft Verbindung Schleswig-Holstein und Hamburg e.V. mit einer großen Treckerdemonstration in drei Protesttage. Daran nahmen gut 1.000 Trecker auf einer Konvoilänge von 14 Kilometern teil und machten sich von der Dusenddüwelswarft (plattdeutsch für Tausend Teufel) gemeinsam auf den Weg nach Büsum.
Insgesamt zählten die Veranstalter 112 Kutter, mehr als 1.000 Traktoren und 5.000 Teilnehmer in drei Tagen.
Nach der Ankunft am Büsumer Hafen zerriss um FÜNF nach 12 ein symbolisches gemeinsames Hornblasen der Trecker und Krabbenkutter die Luft und markierte die Eröffnung der Kundgebung auf dem Ankerplatz. Uta von Schmidt-Kühl, Vorsitzende von LSV SH+HH e.V., eröffnete mit ihrem Vorstandskollegen Jann Petersen die Veranstaltung gemeinsam mit Vertretern der Sparte Krabbenfischer. Fischer, Bauern und ihre Kinder protestierten in Büsum gemeinsam mit imposanten Aktionen auf dem Wasser und an Land mit Kuttern, Traktoren und Tret-Treckern.
Die gemeinsame Sorge gilt dabei dem Vorschlag einer EU-Verordnung über die „Wiederherstellung der Natur“. „Diese Verordnung soll bereits im Juli 2023 verabschiedet werdet und wird, wenn es so kommt, in ihrer Tragweite einschneidend für die Landbewirtschaftung sein! Wir sind in großer Sorge!“, so die LSV-Vorsitzende.
„Ständig vergrößerte Naturschutzgebiete, Vogelschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, demnächst auch die Moore als Klimaschutzgebiete, außerdem Biosphärenreservate und Nationalparks sowie immer strengere Regulierungen für die darin wirtschaftenden Betriebe würden zu einer sinkenden regionalen Erzeugung von Lebensmitteln führen“, mahnt Jann Petersen und appelliert an die Agrarminister, den Brüsseler Plänen entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen. „Das hat nichts mehr mit globaler Verantwortung zu tun, wenn wir unsere ertragreichen Böden verunkrauten lassen und gleichzeitig roden die Brasilianer den Regenwald, um uns noch mehr Agrarprodukte zu liefern“, so Petersen.
Landwirtschaft als Garant für die Ernährungssicherheit und die
nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume stärken
Der LSV Deutschland fordert daher weiterhin die Ernährungssicherung durch regionale Produktion und Verarbeitung in den Rang eines Staatsziels zu erheben! Damit die Politik künftig in die Lage versetzt sind, Belange des Umweltschutzes mit denen der Ernährungssicherung optimal in Einklang zu bringen. Ernährungssicherung gelingt nur mit den Landwirten in der Region.
„Um diese sicherzustellen muss das Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, den momentanen Strukturbruch in der Tierhaltung zu stoppen und die betriebliche Kreislaufwirtschaft zu stärken. Die Herausforderungen bei Tierwohl, Umwelt und Klimaschutz können nur mit einer Vielzahl an Betrieben gemeistert werden.“, ergänzt Claus Hochrein (LSVD), der ebenfalls als Redner auf der Bühne war.
Verbot des Verkaufs unterhalb der Herstellungskosten
Auch ein wichtiges Fachthema wurde auf der Bühne vertieft. Dr. Kim Künstner, Kartellanwalt aus Frankfurt sprach zum Thema „Markt und unlautere Handelspraktiken in der Lieferkette“. Laut seiner Gutachten und Stellungnahmen im Bundesrat und Bundestag braucht es ein Verbot des Verkaufs unterhalb der Herstellungskosten auch für die Bauern – für LSV ein direkter Auftrag an den Bundesminister, dieses Nachhaltigkeitsschutzgesetz endlich auf den Weg zu bringen.
Gemeinsam mit Bundessprecher Anthony Lee und dem schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden Tilo von Donner begrüßte er auf der Bühne Landes- und Bundespolitiker, Fischer und Landwirte, Landwirtschaftsminister Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern und am Freitag seine Amtskollegin Michaela Kaniber aus Bayern, die nach der Konferenz resümierte: „Der Graben zwischen Realität und Ideologie ist riesig, dabei bräuchten die Bauern jetzt dringend Unterstützung vom Bund!“
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Werner Schwarz auf der LSV-Bühne
Der fünfzehnminütige Auftritt von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und seinem Kieler Kollegen Werner Schwarz am Donnerstagabend wurde von den LSV-Vertretern für klare Appelle genutzt. So forderte Anthony Lee eine „Waffengleichheit mit den Importwaren, die durch Freihandelsabkommen wie MERCOSUR nach Deutschland kommen“ und verglich dabei die ungleichen Bedingungen mit einem Fußballspiel, bei der eine Mannschaft einen 20Kg-Rucksack voller Auflagen mit sich trägt und mit zusammengebundenen Füßen spielt.
Die klare Herkunftskennzeichnung ist aus diesem Grund eine weitere Forderung des LSVD, und zwar für alle Lebensmittel, auch die verarbeiteten. Und dazu muss das Verbot des Verkaufs unterhalb der Herstellungskosten kommen, ein direkter Auftrag an den Bundesminister.
Über allen Forderungen stehen aber zwei zentrale Punkte, und diese konnten entlang der Konferenz auch in Gesprächen mit führenden Politikern erörtert werden. „Es darf nicht am Markt vorbei produziert werden! Das gilt für den geplanten Umbau der Nutztierhaltung, wie auch für die Umstellung auf Bio und andere Ideen aus Brüssel und Berlin. Am Ende müssen wir als Familienbetriebe von unserer Arbeit leben können und mit der Produktion auch eine Perspektive haben.“, sagt Uta von Schmidt-Kühl und fasst noch einmal emotional die drei Protest-Tage zusammen: „Für viele von uns ist es bereits 5 nach 12! Wir verlieren in atemberaubender Geschwindigkeit seit Jahrhunderten bewirtschaftete Höfe und dahinter stehen immer Menschen beziehungsweise Familien. Wir brauchen endlich vernünftige und nicht-ideologische politische Entscheidungen, die uns den Raum geben, unsere Betriebe erfolgreich in die Zukunft zu führen!“
Quelle: Land schafft Verbindung SH+HH e.V.
Bildquelle: Moderner Landwirt-Archiv / BDM / LSV
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Die LSV Deutschland fordert, die Ernährungssicherheit durch regionale Produktion und Verarbeitung in den Rang eines Staatsziels zu erheben.
Das ist angesichts des Defizits beim Anbau der wichtigsten Lebensmittel -Gemüse und Obst- ein Tritt ins Gesicht der Verbraucher, die, nebenbei gesagt, für die riesigen Subventionen an die Landwirtschaft aufkommen müssen.
Der Selbstversorgungsgrad beträgt bei Gemüse ca. 36 % und bei Obst ca. 20 %, während bei tierlichen Produkten die 100 % überschritten werden. Da scheint es mehr um Geld zu gehen als um das Erfüllen höherer Ziele, wie zum Beispiel eine an die Ernährungspyramide der DGE angepasste Produktion.
Wer es schafft, sich angesichts dieser Situation wirklich regional und gesund zu ernähren, der kann sich glücklich schätzen, da ihm etwas gelingt, was rechnerisch eher unwahrscheinlich ist.
Und immer dabei ist der Euphemismus „Kreislaufwirtschaft“. Die heutige Landwirtschaft ist ein Durchlauferhitzer. Aus der einen Seite kommt viel nicht regionales Futtermittel rein und auf der anderen Seite kommt viel Fleisch (Leder etc.) dabei raus. Das Fleisch wird gegessen und die phosphathaltigen Verdauungsprodukte verschwinden letztlich in den Weltmeeren. Wie man das einen regionalen Kreislauf nennen kann, bleibt verborgen.
Letztlich ist die Landwirtschaft in der Pflicht, das auch zu liefern, was sie fordert. Wenn sie dafür noch mehr Subventionen benötigt, meinetwegen. Aber nicht für den Erhalt der Schieflage, in die uns die Landwirtschaft gebracht hat. Wir brauchen eine Landwirtschaft 2.0 und kein Verharren bei Version 0.1.