Die Entscheidung der Jury fiel nach langer und intensiver Beratung am späten Abend bei der Abschlußveranstaltung in der Halle 1 im Technopark Ruhstorf zum europaweiten Startup-Wettbewerb „Digitale Landwirtschaft für nachhaltige Ernährungssysteme – eine EIT Food, LfL und Siemens Challenge“: „Wir haben es uns nicht leicht gemacht, denn die drei Finalisten bieten allesamt hervorragende und innovative Lösungen zur Reduzierung von Pestiziden auf dem Feld. Aber Vivent hat einen einzigartigen Innovationsgrad präsentiert, mit dem wir über Sensoren nun die Pflanzen direkt verstehen können“, erklärte Christina Toigo, Gründerin von „Christina Toigo Consulting” für die siebenköpfige Jury aus ExpertInnen der Landwirtschaft. Und ihr Jury-Kollege Thomas Murr, Gründer von „geo-konzept“, ergänzte: „Wir können so auf dem Feld viel schneller und auch effizienter reagieren, also in der Folge viele Pestizide deutlich verringen!“

Vor rund 100 Gästen bekam das Schweizer Startup einen überdimensionalen Scheck über 10.000 Euro überreicht. Sie hatten zuvor bei der Pitch-Phase aller Startups noch mal direkt auf der Bühne mit ihren Sensoren vorgeführt, wie Pflanzen zum Beispiel bei Berührungen reagieren.

 Doch es gibt noch mehr positive Nachrichten: so wird das Startup Vivent auch nach der Challenge-Entscheidung seinen Trockenstressversuch und weitere Messungen an diversen Ackerbaukulturen in Ruhstorf an der Rott fortführen wollen.

  • Das Sieger-Startup der ersten gemeinsamen europaweiten Challenge von EIT Food, LfL und Siemens im Agritech-Bereich, Vivent aus Genf,  erhält 10.000 Euro
  • Für die AgriTech- Challenge wurden Startups und innovative, digitalisierte Anwendungen zur Reduktion von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft gesucht
  • Die drei Finalisten-Teams kamen aus der Ukraine, der Schweiz und Deutschland
  • Abschluss der Pilotphase im Siemens Technopark sowie bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Ruhstorf an der Rott / Sieger-Team will in Ruhstorf weiterarbeiten
  • Erfolgreiche Vernetzung mit lokalen Akteuren aus Landwirtschaft und Industrie
  • Ruhstorf an der Rott als zentraler Standort der Challenge wird Digitaler Innovationsraum

Moritz Graeff vom Startup Vivent:

„Wir sind überglücklich, dass die Jury unsere Forschung an Nutzpflanzen und den Prototyp auf dem Feld hier so hervorragend bewertet hat. Und wir freuen uns sehr darauf, hier in Ruhstorf weiterarbeiten zu können, denn die Möglichkeit zusammen mit der LfL die Feldversuche über die gesamte Wachstumsperiode weiterzuführen, ist einmalig.

Es ist für uns als Startup wirklich nicht einfach, kompetente Partner für Feldversuche zu finden und daher sind wir über die Möglichkeit sehr dankbar hier in Ruhstorf betreute Felder zu haben, auf denen wir eigene Versuche planen und durchführen können. Außerdem bietet sich mit dem Trockenstressversuch von Sebastian Wolfrum von der LfL dazu eine gute Möglichkeit unsere Sensoren direkt auch an Mais zu testen und die Messungen mit denen anderer Sensoren später vergleichen zu können.“

Das Startup Vivent erhöht mit seiner Lösung die Gewinnspannen der Landwirte und verbessert die Produktqualität und die Sicherheit der Ernte, indem es Informationen zur Optimierung der Anbaubedingungen anhand von Echtzeit-Messungen der Vitalität der Pflanzen liefert. Die Technologie zur Diagnose der Pflanzengesundheit nutzt dabei künstliche Intelligenz, um interne Pflanzensignale zu entschlüsseln, und liefert Erkenntnisse über die Pflanzengesundheit und diagnostiziert Krankheitserreger und Schädlinge, einschließlich des Wurzelzustands, lange bevor sichtbare Symptome auftreten. 

Vivent, ein eigentlich in Genf ansässiges Start-up-Unternehmen, ist weltweit führend auf dem Gebiet der Pflanzenelektrophysiologie und verfügt über die weltweit größte Datenbank elektrophysiologischer Pflanzendaten und Algorithmen für die Frühdiagnose von Bodenschädlingen, saugenden und beißenden Insekten auf Blättern, Pilz- und Bakterieninfektionen, Trockenstress und Nährstoffmangel. 

Hintergrund zur Challenge

Im Oktober 2021 startete der europaweite Startup-Wettbewerb: „Digitale Landwirtschaft für nachhaltige Ernährungssysteme – eine EIT Food, LfL und Siemens Challenge“. Nach einer Scoutingphase konnte eine zehnköpfige Jury aus 29 Bewerbungen von Startups und jungen Unternehmen aus der Agrarwirtschaft auswählen. Teams aus ganz Europa, von Deutschland, Dänemark über Spanien und die Ukraine, teils weit fortgeschrittene Forschungsprojekte und die Mehrheit davon Agrar-Startups, waren angetreten, um ihre Lösung für die Herausforderung vorzustellen, vor der LandwirtInnen stehen: Die Reduktion der Verwendung von Mineraldünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Pflanzenproduktion. Die Lösungen reichen von Feldrobotern, Mikrowellentechnologie zur Unkrautregulation, Sensoren zur Erfassung und Analyse elektrischer Pflanzensignale, Equipment-Carrier, IoT Lösungen, digitale Plattformen bis zur Verwendung von Satellitendaten.

Drei Teams konnten dann als FinalistInnen ab Februar dieses Jahres an der knapp viermonatige Pilotphase im Siemens Technopark Ruhstorf teilnehmen. Die Finalisten waren Dahlia aus Bayern, Vivent aus der Schweiz und PAAWR aus der Ukraine. Sie reisten allesamt nach Ruhstorf an, um hier weiter zu forschen. Den GründerInnen standen für diese Zeit kostenlose Arbeitsplätze zur Verfügung. Zudem stellte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Testflächen und EIT Food, als Europas größtes Innovation-Hub, ermöglichte den Zugang zu Agritech-ExpertInnen aus Industrie und Forschung in Deutschland und darüber hinaus.

Damit entwickelt sich Niederbayern und hier vor allem das Rottal, mit dem Standort Siemens Technopark Ruhstorf, der unmittelbaren Nachbarschaft und den Möglichkeiten der Testfelder der LfL sowie dem europaweiten Netzwerk von EIT Food, immer weiter zu einem zentralen Standort für die digitale Landwirtschaft, an dem AnwenderInnen und UnternehmerInnen, ForscherInnen und Industriepartner erfolgreich zusammenkommen. So konnte bei der europaweiten Challenge mit der direkten Anwendung der Lösungen auf dem Feld und der Vernetzung mit den künftigen AnwenderInnen nicht nur der künftige Kundennutzen klar herausgearbeitet, sondern auch ein schneller Markteintritt umfassend vorbereitet werden. Die Startups durchliefen in der Challenge mehrere Trainingsprogramme vor Ort, hatten viel Austausch mit der lokalen Wirtschaft und bekamen Zugang zum pan-europäischen Netzwerk von EIT Food.

Der EU Green Deal legt fest, dass die Landwirtschaft nachhaltiger werden soll und die Digitalisierung dabei ein wichtiger Baustein ist. Auch wenn zahlreiche Innovationen in den Startlöchern stehen, so ist die Kernfrage, welchen praktischen Nutzen sie für die LandwirtInnen bieten, damit diese sie auch einsetzen. Dabei ist es zentral, dass die Potentiale digitaler Technologien für weniger chemisch-synthetischen Pflanzenschutz ausgeschöpft und vor allem auf dem Feld weiterentwickelt werden.  Die enge Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis ist hier also entscheidend. Nur so können die Ziele des EU Green Deal im Bereich Landwirtschaft auch zeitnah erreicht werden.

Zitate der Projektleitung zu Ablauf und Zweck der „Digital Agriculture for Sustainable Food Systems“:

Projektkoordinatorin Marie Ammann, EIT Food

„Wir stellen fest, dass es wirklich viele technologie-affine Start-ups im Agrarbereich gibt, die mehr Zugang zu Demonstrations- oder Testflächen benötigen, um ihre Technologie-Ansätze auch erfolgreich auszuprobieren und sie vor allem direkt vor Ort auch validieren zu können. Durch unsere Challenge sehen wir jetzt, wie wertvoll diese Kombination aus Anwendung auf dem Feld und der engen Vernetzung mit InnovatorInnen und LandwirtInnen vor Ort, als auch der Industrie und Forschung ist. Als Innovationsbeschleuniger und Gestalter von Landwirtschafts-Ökosystemen setzen wir von EIT Food genau hier an: nur durch enge Zusammenarbeit und einen Austausch auf Augenhöhe mit den LandwirtInnen können wir unser jetziges Arbeiten gemeinsam weiter zu einem gesünderen, nachhaltigeren und zukunftsträchtigeren Lebensmittelsystem transformieren. “

Projektkoordinatorin Olivia Spykman, LfL

„Wir haben Erfahrung in der praxisnahen Erprobung von Agrartechnik und stehen in regem Austausch mit LandwirtInnen darüber, welche Prioritäten sie bei neuer Technologie setzen. Die teilnehmenden Teams haben Einblicke in unsere Forschungsergebnisse erhalten und konnten gezielt mit LandwirtInnen aus unserem regionalen Netzwerk in Kontakt treten, um die Kundenbedürfnisse noch besser zu verstehen. Im Rahmen der Challenge haben wir über institutionelle Grenzen hinweg kooperiert und im ländlichen Raum ein Innovations-Ökosystem geschaffen – denn nur gemeinsam ist eine Transformation des Lebensmittelsystems möglich, in dem etablierte Unternehmen, Startups, Landwirte und die angewandte Forschung zusammenarbeiten.“

Das waren die drei Finalisten, die im Siemens Technopark sowie an der LfL in Ruhstorf forschten und arbeiteten:

  • PAAWR (Ukraine)

PAAWR bietet eine autonome Innovation auf der Grundlage Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von Ultraschallwellen reguliert das Werkzeug des Forschungsprojekts Unkräuter in einem frühen Stadium ihres Wachstums. Dadurch soll der Einsatz von Herbiziden signifikant reduziert werden. Langfristig soll so ein an Traktoren und Robotern montierbares Gerät entwickelt werden, mit dem bestehende Fahrzeuge bedarfsweise nachgerüstet werden können. www.paawr.com/

  • Vivent (Schweiz)

Vivent unterstützt LandwirtInnen dabei, Einblicke in die Art und Weise zu gewinnen, wie Pflanzen ihren „Gesundheitszustand“ mitteilen und wie sie auf Veränderungen von Umweltbedingungen oder auf Schädlings- und Krankheitsbefall reagieren. Die Sensoren erfassen von den Pflanzen ausgesandte elektrischen Signale, um ihre Reaktionen auf Veränderungen in der Umwelt schnell zu erkennen. Die Produkte von Vivent sollen den Landwirten helfen, die Anbaubedingungen zu optimieren, um den Aufwand an Betriebsmitteln zu verringern.  www.vivent.ch

  • Dahlia Robotics (Deutschland)

Dahlia Robotics entwickelt einen Roboter zur mechanischen Unkrautregulierung. Mit dieser Lösung können LandwirtInnen den Einsatz von Herbiziden reduzieren, ohne für teure und zeitaufwendige manuelle Arbeit bezahlen zu müssen. Der Roboter nutz dabei eine kamerabasierte Künstliche Intelligenz, um die Werkzeuge präzise und schnell zu führen, ohne die Kulturpflanze zu beschädigen. Die solarbetriebene Robotik ermöglicht es den LandwirtInnen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. www.dahliarobotics.com

„Digital Agriculture for Sustainable Food Systems“:

Ein Projekt mit drei starken Partnern:

Der Zugang zu den LfL-Testflächen, Experten-Know-how sowie modernen WorkSpaces im Siemens Technopark Ruhstorf und das Profitieren vom einzigartigen EIT Food-Innovations-Netzwerk mit Kontakten zu relevanten AgriTech-Playern hat die Startups sehr begeistert. Sie konnten weiter auch am Demo Day der Challenge und dem Feldtag der LfL am 1. Juni ihre Ergebnisse der Pilotphase einem breiten Publikum vorstellen und sich weiter mit der lokalen Wirtschaft und Landwirtschaft vernetzen.

Dazu sagt Stefan Florenz, Leitung Siemens Technopark Ruhstorf:

„Ich freue mich und bin auch stolz darauf, dass die AgriTech-Challenge hier im Siemens Technopark Ruhstorf zu einem solch fulminanten und zugleich produktiven Ende gefunden hat. Für mich sind alle drei Finalisten-Teams Gewinner. Als unsere ersten Nutzer in der Halle 01 konnten sie die technischen und räumlichen Möglichkeiten unseres kreativen Co-Working-Konzepts ausschöpfen. Dass sich eines der Teams entschlossen hat, gemeinsam mit unseren Partnern am Standort Ruhstorf weitere Forschung voranzutreiben, ist das beste Kompliment für unsere Bemühungen und das innovative Potenzial des Standorts Siemens Technopark Ruhstorf.“

Stephan Sedlmayer, Präsident der LfL:

Die AgriTech-Challenge zeigt: in Ruhstorf ist ein einzigartiges Umfeld für Innovation in der Landwirtschaft entstanden. Expertise und Infrastruktur treffen hier auf Startups und innovative Ideen. Durch Kooperation, Forschung und gezielte Förderung von Lösungsansätzen aus den Bereichen Robotik und Digitalisierung können wir gemeinsam Startups unterstützen und Innovationen schnell und praxisnah weiterentwickeln.”

Dr. Georg Schirrmacher, Direktor von EIT Food Central:

„Es wirklich eine große Freude zusehen, wie aus der Idee von drei Partnern eine europaweite AgriTech-Challenge zum Leben erweckt werden konnte und sich dabei immerhin 29 Startups bemüht haben, nach Ruhstorf zu kommen. So können echte Innovationen schnell und erfolgreich zum Nutzen der Landwirtschaft und für eine noch nachhaltigere Lebensmittelproduktion an den Start gebracht werden. Es zeigt auch deutlich, wie elementar die enge Zusammenarbeit in unserem Wissensdreieck zwischen Industrie, Forschung und Wissenschaft ist. Und aller guten Dinge sind wirklich drei: denn alle drei Finalisten haben mit der Vernetzung von Landwirtschaft, digitalen Methoden und dem Know-How der ExpertInnen hier vor Ort letztlich uns alle in Richtung einer pestizidfreien Landwirtschaft sehr weitergebracht.“ 

Die von den Projektleiterinnen Marie Ammann (EIT Food) und Olivia Spykman (LfL) betreute Jury musste entscheiden, welches Team die innovativste Lösung und somit auch den größten Nutzen für die LandwirtInnen mitbringt, unter Angesicht der Rahmenbedingungen des EU Green Deal. Sie war mit folgenden ExpertInnen aus Landwirtschaft, Forschung, Wirtschaft und Innovationsnetzwerken besetzt (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Ursula Fritzmeier, Geschäftsführerin von Fritzmeier Umnwelttechnik, Aying
  • Veronika Hannus, betriebswirtschaftliche Leitung des Startup Inkubators der Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf, Freising
  • Thomas Muhr, Gründer und Mitgeschäftsführer von geo-konzept, Adelschlag
  • Dr. Stefan Neser, Leiter des Institutes für Landtechnik und Tierhaltung, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising
  • Alois Penninger, Landwirt und Gewinner des „CERES-Awards“ in der Kategorie „Manager“ 2018, Fürstenzell
  • Dr. Georg Schirrmacher, Direktor EIT Food Central, Freising

Quelle: EIT Food

Bildquelle: EIT Food


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