Wie sieht es mit der Versorgung mit Lebensmitteln aus? Müssen wir uns Sorgen machen? Werden wir auch in Zukunft alles kaufen können? Und wie werden sich die Preise für Lebensmittel entwickeln?

Bauer Willi machte sich dazu Gedanken:

Wie sieht es mit der Versorgung mit Lebensmitteln aus? Müssen wir uns Sorgen machen? Werden wir auch in Zukunft alles kaufen können? Und wie werden sich die Preise für Lebensmittel entwickeln?  Hier der Versuch einer möglichst objektiven Darstellung der Fakten und einer subjektiven Prognose für 2023. Und Lösungen, den Hunger in der Welt nicht zu groß werden zu lassen.

  • Selbstversorgung

Die Selbstversorgung in Deutschland liegt über 100% bei den Grundnahrungsmitteln Milch, Fleisch, Kartoffeln, Zucker. Demnach sollten/könnten wir möglichst viel Fleisch, Pommes und Süßigkeiten essen.

Bei Getreide liegt der Selbstversorgungsgrad in den meisten Jahren knapp über 100%, in 2018 lag er aber – aufgrund der Trockenheit und Hitze – nur bei 91%. Wir mussten also selbst Getreide importieren. Von daher ist es grob fahrlässig, wenn aktuell die Aussage getroffen wird, dass wir in 2022 genügend eigenes Getreide haben werden. Kein Mensch kann heute, im März, eine seriöse Aussage über die Erntemenge dieses Jahres treffen.

Übrigens: der,  wie beispielsweise Renate Künast fordert, die Tierhaltung in Deutschland zu halbieren, sollte sich im Klaren darüber sein, dass dann auch die Selbstversorgung von Milch und Fleisch der Geschichte angehört. Wir würden auch hier zum Importland.

  • Warum die Ukraine für die Welternährung so wichtig ist

Mittlerweile dürfte es sich herumgesprochen haben, dass Russland und die Ukraine ganz wesentlich für die Welternährung sind. Weizen, Gerste, Sonnenblumen, aber auch GVO-freies Soja und viele Bio-Produkte kommen aus der Ukraine. Was besonders kritisch ist: Viele Länder Nordafrikas beziehen ihr Getreide aus der Ukraine oder Russland. Diese Versorgung ist jetzt schon unterbrochen. Noch können sich Länder wie Ägypten (104 Mio. Einwohner) aus den Lagerbeständen bedienen, die aber je nach Land nur noch eine bedingte Zeit zur Verfügung stehen. Unklar ist, inwieweit die Lager und Verladeeinrichtungen in den Schwarzmeerhäfen durch den Krieg beschädigt sind und noch genutzt werden können. Sollten ernsthafte Schäden entstanden sein, würde es Monate dauern, bis die Schiffe wieder für den Export beladen werden können.

  • Mehr als nur Getreide und Sonnenblumen

Die Ukraine ist nicht nur ein großer und wichtiger Exporteur für Getreide, Sonnenblumen oder Raps. Auch bei Sonderkulturen und vielen Bio-Produkten führt mittlerweile an der Ukraine kein Weg mehr vorbei. Produkte wie Senf, Linsen, Walnüsse oder auch Obstsaftkonzentrate gehören auch dazu.

Hier einige Links: https://www.importpromotiondesk.de/laender/ukraine/ 

https://www.trademap.org/Bilateral_TS.aspx?nvpm=1%7c276%7c%7c804%7c%7cTOTAL%7c%7c%7c2%7c1%7c1%7c1%7c2%7c1%7c1%7c1%7c1%7c1

https://www.oesterreich-isst-informiert.at/industrie/wie-trifft-der-ukraine-krieg-unsere-lebensmittelindustrie/

  • Warum Mitte April ein wichtiges Datum ist

Für die Aussaat der Sommerungen wird es langsam Zeit. Die wichtigen Sommerungen, die aus der Ukraine auf den Weltmarkt gehen, sind Sonnenblumen (Saat und Öl), Mais, Soja, Sommergerste (Braugerste) und Zucker. Für die heimische Ernährung sind Kartoffeln eine wichtige Kultur. Das Aussaatfenster endet für alle Kulturen spätestens Mitte bis Ende April. Jeden Tag, jede Woche später ist mit Ertragseinbußen zu rechnen. Dieser Termin ist -, und dass lässt sich derzeit mit Sicherheit sagen – nicht mehr zu halten, weil zum einen die Arbeiter und  zum anderen der Diesel auf den Betrieben fehlen. Beides wird im Krieg gebraucht. Wie hoch die Ertragsausfälle am Ende des Jahres wirklich ausfallen, lässt sich derzeit nicht seriös sagen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Ukraine demnächst schlimmstenfalls nicht mehr selbst ernähren kann, ist sehr hoch. Das würde bedeuten, dass nicht nur die Exportmengen komplett ausfallen sondern der Rest der Welt Nahrungsmittel in die Ukraine liefern muss. Geld alleine ist keine Lösung, denn Geld kann man nicht essen. Nicht zu vergessen ist, dass die Flüchtlinge, die zu uns kommen, zusätzlich mit versorgt werden müssen. Bislang ist von 10 Millionnen Kriegsflüchtlingen die Rede

  • Pflanzen und Tiere müssen ernährt werden

Aktuell sind die Preise für Dünger aller Art in noch nie gekannte Höhen geschossen, teils um 300%. Ein üblicher Stickstoffdünger ist Kalkammonsalpeter (KAS) der heute (24.3.) über 1000 € pro Tonne kostet. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Preise sind so extrem, dass es sich trotz der deutlichen gestiegenen gegenwärtigen Erzeugerpreisen wohl kaum lohnen wird, nennenswerte Mengen an Mineral-Dünger einzusetzen. Der Rat von Minister Özdemir, man solle “doch statt Kunstdünger mehr Mist und Gülle verwenden” empfinde ich als zynisch. Es klingt wie die Aussage “Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen”. Auch der Düngerwert der Gülle ist extrem teuer geworden und wenn, wie geplant, die Tierhaltung in Deutschland deutlich reduziert werden soll, wird die Menge an organischem Dünger zwangsläufig noch weiter zurückgehen. Woher die ministerielle Mehrgülle kommen soll bleibt rätselhaft. Ob diese Widersprüche  im BMEL bisher noch niemandem aufgefallen sind?

Was aber so bedeutend am Düngermangel ist: dieser gilt für alle Landwirte weltweit! Und damit bekommt die Ernährungskrise eine ganz andere Dimension. Die Vorräte an Lebensmitteln weltweit sind “auf Kante genäht” und reichen, je nach Kultur, nur wenige Wochen. Von daher wäre eine voraussschauende Vorratshaltung jetzt angebracht.

  • Hohe Preise für Diesel

Die Preise für Benzin und Diesel sind für alle Menschen gestiegen. Die Regierung hat reagiert und wird die Preise für alle senken. Zwar ist der Treibstoff für Traktoren und Erntemaschinen ein wichtiger Faktor, aber wichtiger als der Preis ist die Verfügbarkeit. Forderungen, den Diesel für Landwirte nochmals zu verbilligen, sehe ich persönlich als nicht dringlich an. Es gibt Wichtigeres.

  • Die Versorgunglage

Es wird an den oben gemachten Ausführungen hoffentlich klar, dass es mit der Versorgung an Lebensmitteln im Verlaufe des Jahres, mit Sicherheit aber im kommenden Jahr zu gravierenden Störungen in der Versorgung mit Lebensmitteln kommen wird. Das wird auch Deutschland betreffen, allerdings werden wir die wichtigsten Lebensmittel noch kaufen können. Weil wir hier in Europa reich sind. Viel kritischer ist jedoch die Verknappung für die Ärmsten der Armen. Hier wird es zu Hungersnöten kommen. Und auch hier gilt: Geld allein reicht nicht, die Lebensmittel müssen auch zu kaufen sein! Und was machen Menschen, denen vor Ort die Nahrungsmittel fehlen? Sie können sich die Antwort vermutlich selbst geben. Oder lesen, was das Entwicklungsministerium sagt:

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/schulze-hungersnot-brotaufstaende-ukraine-krieg-russland-100.html

  • Die Preisentwicklung

Die derzeitigen Erzeugerpreise für Agrarrohstoffe sind zum Teil um das Doppelte bis Dreifache angestiegen. Dieser Preisanstieg wird erst im Verlauf des Jahres auch in den Supermärkten ankommen. Da durch den höheren Dieselpreis auch die Logistik teurer wird,  kann man grob annehmen, dass Lebensmittel zum Ende des Jahres etwa doppelt so teuer sein werden wie heute. Statt derzeit rund 12% wären es dann ein Viertel des verfügbaren Einkommens, die für den Durchschnittshaushalt ausgegeben werden müssen. Für den Niedriglohnempfänger werden bestimmte Produkte unerschwinglich.

So werden Fleisch und Wurst zum Luxusgut. 

https://www.agrarzeitung.de/nachrichten/wirtschaft/konsumverhalten-gespart-wird-an-fleisch-und-wurst-100368?

Wie stark auch Bioprodukte durch Lieferausfälle bei Importfuttermitteln und Import-Rohstoffen betroffen sein werden und wie sich dies auf die Preise von Biowaren auswirkt, kann selbst die Branche noch nicht wirklich abschätzen. Einzelne Produktlinien werden schon eingestellt:

https://kurier.at/leben/essen-trinken/ukraine-krieg-veggie-marke-hermann-wird-eingestellt/401950840

Das Ziel der grünen Politik und vieler NGO´s wird somit auch ohne politische Einflussnahme erreicht. Dass damit auch die Existenz vieler Bauernhöfe auf dem Spiel steht, wird billigend in Kauf genommen. Folgenabschätzungen scheinen in der Politik irgendwie zunehmend aus der Mode zu kommen.

  • Ernährungssicherheit

Ich persönlich finde es unverantwortlich, wie politische Entscheidungsträger und sonstige Meinungsbildner derzeit den Eindruck erwecken, dass die Ernährungssicherheit für Deutschland gegeben ist. Dies stimmt zwar für 2022, aber ab 2023 ist auch bei uns mit Rationierungen zu rechnen. Wir werden eine deutliche Einschränkung der Produktvielfalt erleben. Die Preisentwicklung für Lebensmittel wird – mit Verzögerung – eine ähnliche Entwicklung nehmen wie im Energiebereich. Kriegsgewinnler werden wieder der LEH sein.

Im Gegensatz zu Cem Özdemir stellt der amerikanische Präsident seine Bevölkerung schon mal auf die neue Situation ein:

“We did talk about food shortages,” Biden said. “And it’s going to be real. The price of these sanctions is not just imposed upon Russia, it’s imposed upon an awful lot of countries as well, including European countries and our country as well.”

https://www.tastingtable.com/811314/everything-you-need-to-know-about-president-bidens-food-shortage-warning/?

https://www.dailymail.co.uk/news/article-10649439/Biden-warns-food-shortages-going-real-Ukraine-invasion.html

https://townhall.com/tipsheet/katiepavlich/2022/03/24/biden-warns-america-a-food-shortage-is-coming-n2605004

Lösungen (in Stichworten und sicher nicht vollständig)

  • Alles unternehmen, dass die Landwirte ihre Ackerflächen optimal nutzen können. Dazu gehört unter anderem, dass die ab 2023 geplante Flächenstilllegung  von 4% vorübergehend auszusetzen ist (Aktion #grueneVier)
  • Zeitliches Aussetzen der Beimischung von Biodiesel und Bioethanol zu Diesel und Benzin (ist mit wenigen Firmen schnell umsetzbar)
  • Biogas statt Putin-Gas (dazu bedarf es kurzfristig gesetzlicher Anpassungen), möglichst ohne lebensmitteltaugliche Rohstoffe (Zielkonflikt)
  • Solarparks nur auf versiegelten Flächen wie Parkplätzen, Supermärkten, Logistikzentren, Baumärkten, Lagerhallen und entlang von Autobahnen. Nicht auf wertvollen Ackerflächen! Wir brauchen jeden Quadratmeter!
  • Lebensmittelverschwendung wirksam angehen: Mindesthaltbarkeitsdatum abschaffen, Normen für Gurken, unschönes Obst oder unschöne Kartoffeln abschaffen. Mehr Lebensmitteln für die Tafeln. LEH verpflichten (siehe Frankreich)
  • Deutliche Reduzierung der Haustierhaltung. Derzeit werden alleine in Deutschland  11 Mio. Hunde und 16 Mio. Katzen mit Fleisch gefüttert.

Das Narrativ, dass man ja “nur” das Getreide den Nutztieren wegnehmen muss, damit mehr für die Menschen übrig bleibt, ist eine typische eindimensionale Schein-Lösung im medienverdaulichen NGO-Sprech für ein komplexes Problem.

Warum? Landwirte produzieren das, was der Markt abnimmt. Wenn dieses Ziel der Umwandlung von Futter für den menschlichen Verzehr erreicht werden soll, muss die Initiative vom Verbrauch kommen. Dann werden in Folge die Tierbestände sinken und somit auch der Futterverbrauch. Pläne, die Tierbestände durch gesetzliche Maßnahmen zu reduzieren, wird dazu führen, dass  noch mehr vom Konsumenten bevorzugten Edelteile-Fleisch aus dem Ausland importiert wird. Wem ist damit gedient?

Erinnerung an “Landwirtschafts”minister Cem Özdemir:

“Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.”

  • Seinen Nutzen mehren…
  • Schaden von ihm wenden…
  • Pflichten gewissenhaft erfüllen…

Quelle: Bauer Willi

Bildquelle: ML-Archiv / Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen


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