Seit vielen Jahren stößt die Ausweisung der sogenannten Roten Gebiete vielen Landwirten sauer auf. Landwirte, die in den sogenannten Roten Gebieten wirtschaften müssen, gründeten deshalb bayernweit sogenannte Interessengemeinschaften.

Die Interessengemeinschaft Sandsteinkeuper Höchstadt-Bamberg (IG) vertritt betroffene Landwirte im gleichnamigen Grundwasserkörper Sandsteinkeuper Höchstadt. Der wie die kleine fliegende Hexe auf den Karten des Bay. Landesamtes für Umwelt ins Auge stechende Sandsteinkeuper Höchstadt, wurde einst für die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) abgegrenzt (siehe Abb.1).

Er ist 725 km² groß und erstreckt sich über alle drei fränkischen Regierungsbezirke. Die Gebietskulissen der Wasserrahmenrichtlinie gelten bundesweit als Grundkulisse für die Ausweisung der sogenannten Roten Gebiete nach Düngeverordnung, erklärt die IG gegenüber Moderner Landwirt. Obwohl es hier eigentlich um die Umsetzung der Europäischen Nitratrichtline geht.

Damit fangen die Probleme schon an da Bayern für die Rotgebietsausweisung nach Nitratrichtline eine Gebietskulisse und eine Messstellenmessnetz bundesrechtlich vorgeschrieben werden die dafür nicht konzipiert wurden. Zu den damaligen Abwägungsgründen ist in der Bundesratsdrucksache BR 148/3/17 folgendes zu finden:

Abb1.
https://www.lfu.bayern.de/wasser/doc/duev/nitrat/infoblatt2022/2_G027_2022.pdf

„Die Düngeverordnung stellt die nationale Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie dar […]. Die Abgrenzung der Gebiete, in denen zusätzliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Düngung gelten sollen, muss mithin an den im Zuge der Bestandsaufnahme nach WRRL identifizierten Grundwasserkörpern orientieren. […] Ein Abweichen von dieser Grundlage würde Neuabgrenzungen erfordern, für die es keine einheitliche Methode gibt […]. Ohne rechtlich verbindliche Regelungen wird es zu abweichenden Ergebnissen und damit zu erheblichen Rechtsunsicherheiten kommen.“

Verfahren der IG Höchstadt Bamberg:

Abb2. Vertreter der IG Höchstadt-Bamberg vor der Gerichtsverhandlung am Gerichtsportal in München (von links Ralf Geyer, Dieter Heberlein, Thomas Pfeiffer, Alfred Winkler)

Am 25. Januar 2024 fand nunmehr die erste mündliche Verhandlung von zwei von insgesamt vier Musterverfahren am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München statt. Geklagt wird dabei gegen die Bayrische Ausführung des Bundesrechts, sprich die Rotgebietsausweisung. Früh als erstes wurde die von der IG Höchstadt-Bamberg unterstützte Klage verhandelt. Laut Gerichtssprecher sind es insgesamt über tausend Antragssteller (=Kläger) in 66 Verfahren.

Wie allen Beobachtern der Verhandlung sehr schnell deutlich wurde haben sich die damaligen politischen Hoffnungen des Bundesrates hinsichtlich „Rechtsicherheit“ bisher nicht erfüllt. Verhandelt wurde über die nunmehr dritte Rotgebietsausweisung innerhalb von vier Jahren in Bayern (2019+2020+2022). Der von der IG unterstützte Landwirt beklagte bereits erfolgreich die Ausweisung 2019.

Bei der Ausweisung 2020 war er bayernweit mit Abstand der erste Kläger. Ein von ihm angestrengter Eilantrag wurde zwar im Januar 2022 abgelehnt, das Gericht stellte jedoch damals einen erheblichen Mängel im Bundesrecht fest. Nämlich das in diesem Falle europarechtlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren wurde fehlerhaft durchgeführt, und zwar auf Druck der EU-Kommission und deren Präsidentin Ursula von der Leyen persönlich. Beweis Videobotschaft von BW’s Landwirtschaftsminister Peter Hauk vom 28.03.2020. 

https://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unser-service/mediathek/media/mid/minister-peter-hauk-mdl-zur-duengeverordnung/

Das Bundeslandwirtschaftsministerium reagierte dann im Frühling 2022 auf den verlorenen Eilantrag des von der IG unterstützten Klägers und versuchte den Fehler mit einer erneuten Auslegung zu heilen. Ob dies damit allein mit der erneuten Auslegung gelungen ist, ist unter Juristen höchst umstritten. Hierzu äußerte sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung aber nicht.

Die IG geht deshalb davon aus, dass im aktuellen Verfahren in München NICHT darüber entschieden wird, ob EU- Kommission und deren Präsidentin im Jahr 2020 einen europarechtswidrigen Beschluss der Bundesdüngeverordnung erzwangen. Und letztendlich damit dem europäischen Gewässerschutz einen Bärendienst erwiesen haben. Hierzu müsste eh letztendlich der Europäische Gerichtshof entscheiden, so die IG.

Neues 20% Kriterium bei Randgebietsflächen rechtmäßig?

Abb3. Kartenausschnitt mit Randgebietsflächen

Bei der mündlichen Verhandlung am 25. Januar ging es deshalb auch vorrangig um die Ausweisung 2022 und die neuen juristischen Knackpunkte. Nämlich die von der EU-Kommission im Jahr 2022 erzwungen erneuten massiven Verschärfungen bei der sogenannten Allgemeinen (Bundes-) Verwaltungsvorschrift Gebietsausweisung kurz AVV GeA. Beispielsweise müssen seitdem die Bundesländer in den Randbereichen der Rotgebiete alle (auch sehr große) landwirtschaftlichen Flächen komplett zum Rotgebiet erklären so bald bereits mit 20% der Rotgebietszone anschnitten sind. Diese Zuordnung von fiktiven Pufferzonen sei weder erforderlich noch verhältnismäßig so der von der IG beauftragte Rechtsanwalt Sebastian Vorwalter.

Auch das Europarecht kenne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schriftlich hatte die Landesanwaltschaft bereits im letzten Jahr hierzu ein Urteil des Europäischen Gerichtshof zitiert. Rechtsanwalt Vorwalter betonte hierzu nochmals in dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshof ging es um einen ganz anderen Sachverhalt als die Hinzu- oder Herausnahme von Randgebietsflächen. Dem stimmte die Landesanwältin bei der mündlichen Verhandlung zu, bestand aber auf der Rechtsauffassung das von ihr zitierte Urteil sei auf die Randgebietsvorschriften übertragbar.

Die Vorsitzende Richterin Dr. Renate Köhler-Rott sagte in diesem Zusammenhang:

„Das 20-Prozent-Kriterium sei der entscheidende Punkt. Als wir das gelesen haben, dachten wir auch, das geht nicht. Im Senat ist die Meinung aber noch nicht abgeschlossen.“

Auch in der Sitzungspause habe sie mit ihren Richterkollegen wieder heftig darüber diskutiert, erzählte Frau Dr. Köhler-Rott zu einem späteren Zeitpunkt der Verhandlung. Wie die IG bereits während einer Sitzungspause gegenüber den BR erklärte, sei durch den Messstellenausbau mit einer zukünftig genaueren Rotgebietsausweisung zu rechnen. Damit werden die betroffenen Randgrundstück wahrscheinlich deutlich mehr und nicht weniger.

Verfahren der IG Mainbernheim

Abb4. https://www.lfu.bayern.de/wasser/doc/duev/nitrat/infoblatt2022/2_G048_2022.pdf

Im zweiten Verfahren, das am 25. Januar verhandelt wurde, hatte sich der dort bestellte Rechtsanwalt Dr. Krüger insbesondere auf die detaillierte Gebietsabgrenzung des unterfränkischen Grundwasserkörpers „Unterkeuper Mainbernheim“ und den dort verwendeten Messstellen fokussiert. Auf richterliche Nachfrage bestätigten die anwesenden Vertreter des Bayerischen Umweltministeriums ein nach bayrischen Vorgaben eigentlich alle 5 Jahre vorzunehmender „Auffülltest“ habe mindestens seit 1996 an der kritisierten Messstelle nicht mehr stattgefunden. Weiter fragte Vorsitzende Richterin Köhler-Rott kritisch, warum im dortigen Grundwasserkörper das mathematisch ungenauere Voronio-Verfahren verwendet wurde, obwohl die nach Bundesrecht vorgeschriebene Mindestmessstelleanzahl für das genauere IDW-Verfahren ausreicht.

Die anwesende Vertreterin des Bayerischen Landesamtes für Umwelt bestätigte hierzu nochmals, Bayern hatte neben der Mindestmessstellenanzahl ein weiters eigenes Kriterium (Mindestabdeckung von 60%) verwendet. Hierzu ist nun von Gericht zu prüfen, ob Bayern hier zulasten der betroffenen Bauern ein Übermaß angewendet hat, erklärt Thomas Pfeiffer von der IG Höchstadt-Bamberg gegenüber Modernen Landwirt. Auch im dortigen „Höchstadter“- Grundwasserkörper gibt es das gleiche Problem.

Weiter wurde heftig über eine Quelle diskutiert. Wie einer der unterfränkischen Kläger dem Gericht erklärte, wirtschaftet er bekanntermaßen auf ein Trockenstandort mit geringen Niederschlägen. Er findet es ungerecht und unplausibel, dass mit Verschärfung der Ausweisungsvorschriften im Jahr 2022 nunmehr nur noch der Jahreshöchstwert verwendet werden darf. Insbesondere im Sommer lasse die Quellschüttung massiv nach und genau im Sommer werden die Proben gezogen.

Wie sich im Laufe der weiteren Verhandlung herausstellte sind in der 2022 verschärften Bundesvorschrift AVV GeA zwar sehr detailliert Mindestvorgaben für Messstellen vorgegeben, jedoch gelten diese offenbar nur für gebohrte Messstellen nicht für Quellen. Wie der als Zuschauer auch anwesende BBV-Umweltpräsident Stefan Köhler am Rande der Verhandlung kritisierte, könne es doch nicht sein, dass die Bundesvorschrift die Messung hauptsächlich an gebohrten Messstellen vorgibt, bei besonderen regionalen Verhältnissen zwar auch ausdrücklich Quellen zulässt dann aber faktisch keine Mindestvorgaben für Quellen vorschreibt.

Wie geht es weiter?

Das Gericht hatte im Vorfeld angekündigt am 22. Februar die Urteile der Musterverfahren zu verkünden. Gerichtssprecher Andreas Spiegel erklärte hierzu dem Fränkischen Tag:

„Je nachdem, wie es ausgeht, könnten sich die anderen Verfahren dadurch erledigen. Bereits in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg sei dies so geschehen.“

Thomas Pfeiffer von der IG Höchstadt-Bamberg erklärt hierzu gegenüber Moderner Landwirt:

„Sollte das Gericht die Ausweisung in Bayern als ganzes für ungültig erklären, muss die Bayerische Verwaltung die Gebiete dann erneut ausweisen, jedoch weiter unter Einhaltung der fachlich und juristisch fragwürdigen Bundesvorgaben. Sollten die Kläger also Ende Februar gewinnen ist nur ein Zwischenziel erreicht. Außerdem können die erfolgreichen Kläger, wenn sie denn Gewinnen sollten, die dann noch offenen Fragen nicht in nächster Instanz prüfen lassen. Dies steht nur dem Verlierer zu.“

Sollte somit am Ende nur die vorzeitige Neuausweisung der Gebiete herauskommen müsste gegebenen Falls neu dagegen in München geklagt werden. Betroffene Bauern aus anderen Teilen Bayerns hatten deshalb in Kooperation mit der IG Höchstadt-Bamberg bereits im Jahr 2022 zusätzlich sogenannte Feststellungsklagen bei den Verwaltungsgerichten Ansbach, Augsburg, Regensburg und Bayreuth eingereicht.

Gemäß Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist dies der reguläre Weg, um die fragwürdigen Bundesvorschriften höchstrichterlich anzugreifen. Jedoch über viele Instanzen der noch viel mühsamere Weg. Alternativ könnte etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München bei der nächsten Klagewelle das/die Verfahren direkt an das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof verweisen.

Hoffnung, dass Cem Özdemir sein Versprechen von 2022 endlich einlöst:

Die IG Höchstadt-Bamberg hofft deshalb darauf, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir endlich sein 2022 gegebenes Versprechen einlöst. Und nicht weiter auf Zeit spielt! Denn er hatte sich die Zustimmung der Bundesländer zu den im Jahr 2022 verschärften Bundesvorschriften zur Gebietsausweisung damit erkauft, dass er die Einführung eines Monitoringsystem zusagte.

Auch der EU hatte er dies zugesagt. Die daraufhin das seit vielen Jahren anhängige Klageverfahren gegen Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der Nitratrichtlinie beim Europäischen Gerichtshof einstellte. Ziel des Monitoringsystem wäre es dann zukünftig europarechtskonform Landwirten mit „guten Düngebilanzen“ die Befreiung von verschiedenen Auflagen in Roten Gebieten zu ermöglichen. Cem Özdemir sprach damals von Rechtsicherheit, die er damit schaffen will.

Der während der Verhandlung kritisierte unverhältnismäßige Grundrechtseingriff hinsichtlich Eigentums und Berufsfreiheit wäre bei Einführung eines solchen Systems das Befreiungen und örtlich angepasste Konzepte zum Grundwasserschutz zulässt dann natürlich anders zu bewerten, erklärt Thomas Pfeiffer gegenüber Moderner Landwirt:

„Sollte die Bundesregierung kein System einführen das Befreiungen zulässt, müsste sie dann ähnlich wie beim Atom- oder Kohleausstieg erhebliche Summen für Ausgleich und Entschädigung aufwenden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies etwa im Jahr 2020 den Atomstromkraftwerksbetreibern beim Atomausstieg zugestanden.“

Verantwortlich für den Inhalt: Thomas Pfeiffer Schriftführer der IG

Alle Bildrechte IG Sandsteinkeuper Höchstadt Bamberg

Bildverzeichnis:
Abb.1 Kartenausschnitt aus Grundwasserkörpersteckbrief Sandsteinkeuper Höchstadt, Bildrechte bei LfL und LfU.
Abb2. Vertreter der IG Höchstadt Bamberg; Bildrechte IG
Abb3. Karte Rotgebietsausweisung im Randbereich; Bildrechte StMELF

Abb4. Kartenausschnitt aus Grundwasserkörpersteckbrief Unterkeuper Mainbernheim, Bildrechte bei LfL und LfU.


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