In Deutschland wurden rund 1,5 Mio. Schafe auf 9.670 Betrieben gehalten. Gegenüber 2014 ist der Bestand um fast 90.000 Tiere (≈ –6 %) gesunken; die Zahl der Betriebe ging um gut 2 % zurück. Nahezu alle Bundesländer verzeichnen rückläufige Bestände.
Warum gehen Bestand und Betriebe zurück?

1) Erlöse & Märkte

  • Wolle: Preise häufig unter Ernte-/Schurkosten; Vermarktung aufwendig, begrenzte industrielle Nachfrage.
  • Lämmer/Fleisch: Volatile und oft niedrige Erzeugerpreise; Konkurrenz durch Importware; saisonale Nachfrage (Ostern/Herbst) führt zu Preisspitzen statt Planungssicherheit.
  • Nebenprodukte: Häute/Nebenprodukte mit schwacher Wertschöpfung.

2) Kosten, Arbeit & Struktur

  • Herdenschutz: Zaunbau, Netze, Stromführung, Nachtpferche, Herdenschutzhunde → hoher Arbeits- und Kostenblock.
  • Arbeitszeitspitzen: Lammzeit, Weidewechsel, Parasitenmanagement; Fachkräfte- und Nachfolgeengpässe.
  • Mobilität: Wander-/Deichschäfereien mit hoher Transport- und Logistiklast (Tränken, Salz, Unterstände).

3) Rahmen & Bürokratie

  • Dokumentationspflichten, Tierkennzeichnung, Transportauflagen.
  • Flächenzugang: Konkurrenz zu Acker-/Sonderkulturen, Pachtpreisdruck; fragmentierte, zerschnittene Weidelandschaften.

4) Prädation & Recht

  • Wolfsübergriffe: direkte Tierverluste, Stress-/Abortverluste, Verletzungen; Folgekosten (Tierarzt, Zeit); Unsicherheit bei Entschädigungen/Beweisführung.

Warum die Schafhaltung gesellschaftlich wichtig bleibt

  • Landschaftspflege & Biodiversität: Offenhaltung von Magerrasen, Heiden, Berg- und Trockenstandorten; Erhalt seltener Pflanzen-/Insektenhabitate.
  • Küstenschutz & Deiche: Trittfestigkeit, Narbendichte, gleichmäßige Grasnarbe – Schafe „pflegen“ Deichekosteneffizient.
  • Kulturlandschaft & Tourismus: Sichtbare, identitätsstiftende Nutzung; Weidehaltung als Erlebnis- und Bildungsangebot.
  • Kreislaufwirtschaft: Nutzung von Extensivfutter, das sonst nicht vermarktbar wäre; Nährstoffkreisläufe über Weide.

Hebel: Was jetzt helfen würde

A) Wertschöpfung erhöhen

  • Regionale Labels/Premien für Deich-/Naturschutzlamm, Weide-/Bio-Profile; Kooperation mit Metzgereien, Hofläden, Gastronomie.
  • Wolle aufwerten: Sortierung/Waschung/Färbung, Nischenprodukte (Isolationsmaterial, Düngerpellets, Filz/Textil), lokale Manufakturen; Sammelstellen stärken.
  • Dienstleistungsmodelle: Verträge zur Pflege sensibler Flächen/Deiche mit definierten Qualitätsindikatoren (Narbendichte, Artenziele).

B) Risiko & Aufwand reduzieren

  • Wolf endlich ins Jagdrecht
  • Herdenschutz-Förderung verlässlich und praxisgerecht (Zaunhöhen, Übergänge, Ersatz/Unterhalt, Hundehaltung); schnelle Entschädigungen, klare Nachweisregeln.
  • Bürokratieabbau: Digitale Meldungen, gebündelte Kontrollen, pragmatische Tierkennzeichnung.
  • Arbeitswirtschaft: Mobile Infrastruktur (Wasser/Weidezaun), Weideverbünde, Maschinengemeinschaften, Austausch von Weiderechten.

C) Planung & Finanzierung

  • Mehrjährige Pflege- und Weideverträge (Kommunen/Naturschutz/Wasserwirtschaft) mit Fixkomponenten(Pflege) + variablen Boni (Biodiversität).
  • Investitionszuschüsse für Herdenschutz, mobile Stallelemente, Schermobile, Anhänger; Liquiditätshilfen in Krisenjahren.
  • Bildung & Beratung: Parasitenprophylaxe, Fütterung im Klimawandel, Weidemanagement, Vermarktung/Storytelling.

Fünf praxisnahe Geschäftsmodelle

  1. Deich-/Naturschutzlamm mit Herkunftslabel + Gastronomiepartnern.
  2. Wollwertschöpfung: Kooperation Schur–Sortierung–Wäsche–Produkt (Filz/Isolierung/Dünger).
  3. Weidepflege als Dienstleistung: Flächenpflegevertrag + Ergebnisbonus (Artenliste/Deckungsgrad).
  4. Bildungs-/Tourismusmodule: Hofbesuche, „Schäfer für einen Tag“, Lammzeit-Events, Weidewanderungen.
  5. Doppelprofil: Fleisch + Pflegevertrag + kleine Direktvermarktung (Kisten, Abo).

Checkliste für Betriebe

  • Kosten kennen: Vollkosten je Mutterschaf/Lamm; Herdenschutz als eigene Kostenstelle.
  • Vermarktung diversifizieren: 2–3 Absatzkanäle (Metzgerei, Gastro, Direkt, Online).
  • Pflegeverträge prüfen: Kommune/Deichverband/Naturschutz; Leistungsbeschreibung & Pauschalen.
  • Herdenschutz-Setup standardisieren: Materiallisten, Prüfroutinen, Hundekonzept.
  • Story & Sichtbarkeit: Hofprofil, Saisonkommunikation (Lammzeit/Weideumtrieb), einfache Website/QR auf Stalltafel.

Was Kommunen/Verwaltungen tun können

  • Mehrjährige Ausschreibungen für Deich-/Landschaftspflege statt Jahresverträge.
  • Administrative Entlastung: Einheitliche Formulare, digitale Vergabe, gebündelte Kontrollen.
  • Infrastruktur: Tränkepunkte, Weidekorridore, Zuwegungen sichern; Wildschutzzäune an Hotspots kofinanzieren.
  • Beschaffung regionaler Produkte (Kantinen/Gastro) mit Weide-/Deich-Kriterien.

Ausblick

Ohne planbare Einnahmen aus Pflegeverträgen, verlässlichen Herdenschutz und bessere Erlöse (Lamm/Wolle) wird die professionelle Schafhaltung weiter unter Druck stehen. Gleichzeitig wächst ihr gesellschaftlicher Wert – vom Hochwasser- bis zum Artenschutz. Wer jetzt kooperativ handelt (Betriebe, Kommunen, Naturschutz, Verbraucher), kann Schafhaltung wirtschaftlich tragfähig und ökologisch wirksam sichern.


Weiterführend

Bundeszentrum Weidetiere und Wolf – Materialien, Beratung, Netzwerke:
https://www.praxis-agrar.de/bundeszentrum-weidetiere-wolf/

Quelle: BLE

Bildquelle: BLE


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