Die Supermärkte machen nur noch Werbung für „Veganuary“ und eine bekannte große Versicherung mit landwirtschaftlichen Wurzeln behauptet, jeder Mensch, der sich Vegan ernährt, würde damit jeden Tag 3,8m² Wald „retten“.

Wir bekamen dazu einen Leserbrief von Ulrich Knippenberg zugesandt:

Propaganda

Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, ob man diesen Begriff wählen kann, wählen sollte. Die Definition laut Wikipedia sagt aber: Ja! Das was hier zum Teil passiert, das ist Propaganda in Reinform:

Propaganda (von lateinisch propagare‚ „weiter ausbreiten“, „ausbreiten“, „verbreiten“) bezeichnet in seiner modernen Bedeutung zielgerichtete Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern. Die verschiedenen Seiten einer Thematik nicht darzulegen sowie die Vermischung von Information und Meinung charakterisieren dabei die Propagandatechniken. Dies steht im Gegensatz zu pluralistischen und kritischen Sichtweisen, welche durch unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen sowie einen rationalen Diskurs geformt werden.

Wenn nun von Supermärkten über (fast) sämtliche Medien bis zu Versicherungskonzernen viele im Januar den „Veganuary“ ausrufen, dann ist das ihr gutes Recht. Ich möchte sicher niemandem vorschreiben, wie er sich zu ernähren hat. Wie sinnvoll nun eine rein Vegane Ernährung in Europa ausgerechnet mitten im Winter ist, dazu mag sich mal jeder selbst Gedanken machen. Regional und saisonal, was ansonsten immer wieder (zu Recht!) gefordert wird sieht jedenfalls anders aus… aber sei es drum.

Eine Sache sticht jedoch grade bei diesem Thema immer wieder heraus, und das ist die gezielte Desinformation von Menschen, oft unter dem Tarnmäntelchen der „Wissenschaft“. Belge stammen angeblich von, z.B., der Harvard Universität oder auch von „Consulting Unternehmen“ wie Boston Consulting. Hochtrabende Namen, die dem ganzen einen seriösen Anstrich verleihen- und bei mir für viele Fragezeichen sorgen.

So verbreitete zum Beispiel ein großer Versicherer, auch noch mit eindeutig Landwirtschaftlichen Wurzeln, Anfang Januar: Jeder Mensch, der sich Vegan ernährt, würde damit 3,8m² Wald „retten“- jeden Tag.

Man liest das, und denkt sich: Wow. Das ist eine Menge. Die Berechnungsgrundlage fehlt natürlich. Aber die Zahl steht erstmal im Raum.

Wenn ich jetzt mal den Taschenrechner zur Hilfe nehme, und sich hypothetisch Deutschland ein Jahr lang vegan ernährt, so komme ich auf folgende Zahlen: 3,8m² pro „Esstag“ mal 83.200.000 Menschen = 316.160.000 m² = 31.616ha… pro Tag! Im Jahr dann also 11.539.840 ha.


Ganz Deutschland ist 35.758.800ha groß, abzüglich schon vorhandenem Wald wäre also binnen 3 Jahren die gesamte Bundesrepublik, jeder Acker, jede Wiese, jede Siedlung und Straße bewaldet… so Leid es mir tut, aber wer solchen Zahlen einen wissenschaftlichen Anstrich geben möchte, dem ist nicht mehr zu helfen.

Nachdem nun mehrere Landwirtschaftliche Verbände gegen unter anderem diese Aussage (ich könnte in ähnlichen, trivialen Rechengängen sämtliche anderen genannten Zahlen revidieren, das spare ich mir und euch aber hier) deutlich Protestiert haben, ruft es die Medien auf den Plan:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/versicherer-lvm-versetzt-bauern-mit-kantinen-empfehlung-in-rage-vegane-hetzkampagne-a-9109c3b3-71f1-4964-80b5-e713c2724041

Hier erleben wir dann im Grunde ein noch viel perfideres Spiel: Die Grundannahme des Artikels, man wehre sich gegen den Kantinenplan eines Privatwirtschaftlichen Unternehmens ist schlicht und ergreifend falsch, man wehrt sich gegen Falsche Behauptungen, gegen vermeintliche „Fakten“, die zwar in den Mainstream im Veganuary passen, aber nicht rational zu belegen sind. Und solche Zahlen unreflektiert wiederzugeben war falsch, ist falsch und wird auch immer falsch bleiben, auch wenn man jeden Tag im Januar politisch korrekt Gemüse Süß-Sauer mit Kichererbsen und Linsensuppe mit Curry löffelt gibt einem das nicht das Recht, andere mit Dreck zu bewerfen. Und von dem wird reichlich geworfen: „Erzkonservativ“ seien die Kritiker, in den Kommentaren unter dem Artikel ist es damit noch lange nicht getan.

Wenn es „erzkonservativ“ ist, Dinge die einem als Tierhalter an den Kopf geworfen werden zu hinterfragen- ja, dann bin ich wohl auch „erzkonservativ“. Selbiges würde ich mir von jedem Wünschen, der Behauptet, wissenschaftlich zu arbeiten, und dann Zahlen liefert die rational nicht zu fassen sind, wo jeder der mal zwei Minuten drüber nachdenkt und einen Taschenrechner bedienen kann sofort merkt: Das kann so wohl nicht sein. „Erzkonservativ“ im journalistischen Sinne wäre wohl, zu recherchieren, zu hinterfragen… pluralistisch und kritisch halt.

Im Kommentar (Und nur da!) seine eigene Meinung zu Sachverhalten zu äußern steht natürlich jedem frei…

Ich hoffe wirklich inständig, das die Vermischung von (vermeintlicher) Information und Meinung irgendwann mal wieder zurück gefahren wird, das „Wissenschaftler“ nicht veröffentlichen, was beauftragt wurde – egal wie abstrus das Ergebnis anmuten mag. Das eben solche „Wissenschaftler“ die das trotzdem tun Ihren Ruf, ihr Renommee vollumfänglich und dauerhaft verlieren. Das wir als Gesellschaft irgendwann mal wieder die vielen, vielen Stufen Grau zwischen Schwarz und Weiß in einem vernünftigen, ehrlichen Diskurs debattieren können, ohne das die Seite die in dem Thema vom Mainstream abweicht gleich in Opas Uniform gesteckt und an die Rechtsaußenfront gestellt wird. So funktioniert das nicht, und solange ich meine Meinung frei äußern darf werde ich mir so etwas auch nicht gefallen lassen. Leider erleben wir die selben Muster immer und immer wieder, sei es Pflanzenschutz (https://vegpool.de/news/drogenvergleich-sarah-wiener-hat-recht.html), Düngung (https://www.bdew.de/wasser-abwasser/nitrat-im-grundwasser/) und so weiter und so fort.

Es ist beschämend, es ist deprimierend, es ist unausgewogen, es ist nicht sachlich- es ist Propaganda…

Ulrich Knippenberg

Lesermeinungen sind die persönliche Meinung der Schreiber und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion.

Bildquelle: Moderner Landwirt-Archiv


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