Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus fordert mehr Unterstützung für Landwirtschaftsbetriebe. Der „Dauerkrisen-Modus“ sei für viele Betriebe kaum noch tragbar, stellt der Minister im Rahmen der Landespressekonferenz dar:
„Klimakrise, Corona-Krise, Energie-Krise und Ukraine-Krieg. Das sind die Reiter der Apokalypse, wenn man so will. Jede Krise für sich wäre wohl für die Land- und Ernährungswirtschaft zu meistern. Das hat sich in den Corona-Jahren gezeigt. Der Sektor hat immer funktioniert und geliefert. Corona-Hilfen gab es für andere. Aber ich fürchte, dass sich das nicht durchhalten lässt.
Dafür möchte ich ein paar Beispiele anführen:
Marktfruchtbetriebe/ Ernte 2022
Die Böden sind vor allem unterhalb der Winterungen und beim Sommergetreide bis in 90 cm Tiefe sehr trocken. Die Niederschläge der letzten Tage haben die Situation im Oberboden oft nur kurzzeitig entspannt.
Die Ernte der Wintergerste ist landesweit abgeschlossen. Es zeigt sich, dass es bei den Erträgen niederschlagsbedingt große Unterschiede gibt. Insgesamt kann man von einem leicht überdurchschnittlichen Ernteergebnis ausgehen.
Wintergetreide: Die aktuelle Ertragserwartung der Mähdruschfrüchte ist für die Sandstandorte deutlich reduziert, während bessere Standorte im Westen und an der Küste voraussichtlich mittlere oder leicht überdurchschnittliche Erträge erzielen werden. Der Bodenwasservorrat ist ausgeschöpft, für die Kornfüllungsphase sind deshalb die jetzt folgenden Niederschläge entscheidend, die örtlich sehr unterschiedlich ausfallen können.
Winterraps: Aufgrund der geringen Bestandeshöhe wird die Kornfüllung für das Ertragsergebnis wichtiger. Unter Rapsbeständen ist das Bodenwasser ausgeschöpft. Deswegen sind auch hier die Niederschläge der nächsten Wochen ausschlaggebend. Auch beim Raps ist auf Sandstandorten mit geringen Erträgen zu rechnen. Auf den besseren Standorten sind noch mittlere bis gute Erträge möglich.
Es werden vermutlich viele Betriebe einen Großteil der Erntemenge bereits bei dem moderat hohen Preisniveau bis kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine kontraktiert haben. Daher werden die real erzielten Erzeugerpreise bei den wichtigen Marktfrüchten Raps und Weizen spürbar unter den aktuellen Rekordnotierungen liegen.
Auf der Kostenseite haben im Anbaujahr 2021/22 viele Betriebe mehr oder weniger noch von den vor dem drastischen Preisanstieg eingekauften Betriebsmitteln „zehren“ können. Das ist keine gute Perspektive. Dennoch: Es deutet vieles darauf hin, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern ein seit längerer Zeit nicht mehr erreichtes positives Ergebnis abzeichnet.
International wächst angesichts der hohen Temperaturen in Westeuropa die Sorge um ein knappes Getreideangebot. Spanien erlebt bereits im Frühjahr die stärkste Hitzewelle seit 20 Jahren. Auch die Ungewissheit ob es zur Wiederaufnahme der Lieferungen aus der Schwarzmeerregion kommt, lässt eine knappe globale Weizenversorgung 2022 befürchten.
Situation in den Milchviehbetrieben
Gegenüber den Kalkulationsdaten der Milchproduktion für die letzten 12 Monate haben sich die Rahmenbedingungen sowohl hinsichtlich der Leistungen als auch der Kosten fundamental verändert.
Im Juni 2021 lag der reale Milchpreis vieler Milcherzeuger bei 35 Cent und ist ab Oktober sukzessive (Stand Juni 2022) auf knapp 47 Cent gestiegen, sodass man für das zurückliegende Jahr einen durchschnittlichen Milchpreis von etwa 40 Cent annehmen kann.
Für das laufende Jahr dürften sich bei einer abgelieferten Milchmenge von 10.000 kg Kilogramm ECM pro Kuh die Erlöse aus dem Milchverkauf zwischen 45 und 47 Cent einpendeln, was die Markterlöse gegenüber dem Vorjahr um 500,- bis 700,- €Euro je Kuh steigert.
Die Kostenentwicklung in den letzten 12 Monaten ist jedoch ebenfalls dramatisch verlaufen. Die Einkaufspreise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel sind im Zeitraum April 2021 bis April 2022 um 30 %Prozent gestiegen. In Zahlen bedeutet das einen Anstieg der variablen Kosten von ca. 1.900,- auf 2.500,- €Euro je Kuh und Jahr. Eine solche Entwicklung innerhalb eines Jahres hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.
Situation in der Schweinehaltung
In der Schweineerzeugung / -haltung wird der Umsatz in den landwirtschaftlichen Betrieben maßgeblich von den Erlösen für Ferkel und Mastschweine beeinflusst. Die den Erlösen zugrundeliegenden Preise waren in der letzten Zeit beinahe durchgängig niedrig. Der Preisrückgang seit März 2020 ist dabei deutlich in Verbindung mit den Entwicklungen in der Coronapandemie zu sehen. Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 fielen große Teile der Vermarktungs-möglichkeiten aus. Neben dem fehlenden Gastronomiebereich wirkten der Wegfall von Großveranstaltungen und die Einschränkungen im Export dämpfend auf die Marktentwicklung. Der zuvor gestiegene Export von Schweinefleisch aus Deutschland nach China war stark durch das akute Corona-Geschehen eingeschränkt.
Gleichzeitig kam es seit dem Ausbruch der Coronapandemie immer wieder zu Einschränkungen bei den hinsichtlich der Kapazitäten in den Schlachthöfen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Schlachtzahlen. Als Folge dieser Entwicklung wurden deutschlandweit deutlich weniger Schweine geschlachtet und verarbeitet. Die damit wiederum einhergehenden notwendig gewordenen Maßnahmen im Schlachtbereich haben zu einem drastischen Personalmangel in den Schlachthöfen und damit auch zu einer geringeren Wertschöpfung (Ausfall der Feinzerlegung) geführt.
Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest im September 2020 hat diese Entwicklung zusätzlich verstärkt. Die Nachfrage im Inland war weiter rückläufig und der Export in die EU und der Handel in Drittländer, insbesondere in die asiatischen Länder, ist weiter eingebrochen. Entsprechend niedrig waren die Preise für Schweinefleisch. Anders als in zurückliegenden Seuchenfällen fand eine rasche Preiserholung aufgrund der fortgesetzten coronabedingten Einschränkungen bisher nicht statt.
In der Kombination der beiden Ereignisse ergab sich daraus ein Preisrückgang im Vergleich Dezember 2019 zu Dezember 2021 von 40 Prozent% für Mastschweine bzw. 60 Prozent für Ferkel. Der Einfluss der coronabedingten Einschränkungen (> 80 Prozent der Umsatzeinbußen) wiegt dabei deutlich stärker als die Absatzeinschränkungen durch den ASP-Ausbruch. Die seit Jahrzehnten schwerste Krise führte zu einem starken Rückgang der Schweinebestände.
Nach Einschätzungen der Branche ist davon auszugehen, dass in den letzten beiden Jahren ca. 5 Prozent der Sauenhalter aufgegeben haben und dass ca. 15 Prozent beabsichtigen dies zu tun.
Gründe für die Aufgabe sind insbesondere die wirtschaftliche Situation, tierschutzrechtliche Anforderungen (3 K) und Unklarheit über die zukünftigen Rahmenbedingungen hinsichtlich des Umbaus der Tierhaltung und neuer Tierschutzanforderungen.
Bio-Landbau
Auch hier herrscht nicht eitel Sonnenschein: Bei etlichen Getreidearten sind die konventionellen Preise nicht mehr allzu weit von den Preisen für Biogetreide entfernt oder übertreffen diese sogar. Ähnlich ist die Entwicklung bei Milch und Rindfleisch – und auch bei anderen Agrar-Produkten schmelzen die bislang sehr großen Preisunterschiede zwischen konventionell und Bio immer weiter zusammen.
Der Grund: Die hohen konventionellen Preise zeigen an, wie knapp und angespannt die Versorgung mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln derzeit ist. Die Preise für die Vorleistungen vom Diesel bis zur Eierpackung steigen mindestens genauso rasant, häufig noch stärker. Vor allem Öko-Betriebe mit eigener Verarbeitung und Vermarktung müssen ihre Kalkulationen überprüfen und werden um Preiserhöhungen nicht herumkommen.
Die Öko-Erzeugerpreise werden weiter steigen müssen, wenn die Ware im Öko-Markt bleiben soll und nicht die kurzfristig besseren konventionellen Erlöse gesucht werden. Dennoch sind die Öko-Erzeuger gut beraten, die Vorteile der langfristigen Stabilität der Kontrakte zu beachten.
Problematisch waren hierbei jedoch aktuell die teilweise unzureichenden Preisanpassungen der Molkereien im Bereich der Bio-Milch zu bewerten, die bereits zur Aufgabe der Milcherzeugung in Bio-Betrieben in MV Mecklenburg-Vorpommern geführt hat. Gab es in 2021 noch eine preisliche Differenz von ca. 15 Cent / Kilogramm liegt diese im April 2022 noch bei ca. 8 Cent / Kilogramm.
Während die Verbraucher während der Corona-Krise mehr Bioprodukte gekauft haben, scheint sich nach Erkenntnissen von Konsumforschern nunmehr genau der umgekehrte Trend abzuzeichnen. Je länger der aktuelle Preisanstieg bei Energie (Strom, Heizung, Benzin) und Lebensmitteln dauert, die Inflation steigt und je mehr Menschen gezwungen sein werden zu sparen, je stärker wird dieser Trend auf den Biomarkt und die dortigen Absatzmöglichkeiten wirken. Bioläden und Bio-Supermärkte verkauften in den ersten drei Monaten dieses Jahres 2022 deutlich weniger Ware als im Vorjahreszeitraum, teilte der Bundesverband Naturkost Naturwaren mit. Im Schnitt lagen die Tagesumsätze demnach im Januar knapp zehn Prozent niedriger, im März schon mehr als 18 Prozent. Ähnlich ist die Tendenz im Bio-Großhandel.
Weitere Unsicherheitsfaktoren für Landwirtschaftsbetriebe
Dünge-Verordnung
Der Bundesrat hat Anfang des Monats der Novelle der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten zugestimmt. In der Folge müssen alle Bundesländer – also auch MV – ihre Landes- Düngeverordnungen bis zum 30. November 2022 entsprechend anpassen und insbesondere die mit Nitrat belasteten Gebiete (sogenannte „rote Gebiete“) neu ausweisen. Ab dem Jahr 2029 soll in jedem Bundesland nur noch ein geostatistisches Regionalisierungsverfahren angewandt werden, mit dem Punktdaten (Nitratwert der Grundwassermessstelle) auf die Fläche übertragen werden. In der Übergangszeit sind unter bestimmten Voraussetzungen andere Verfahren wie z.B. das bisher in M-V angewandte Verfahren zulässig. Hierzu wird die erforderliche Messstellendichte bezogen auf die Landesfläche bereits seit 2020 erreicht. Für die Bezugsebene Grundwasserkörper sind die Planungen darauf ausgerichtet, diese bis Ende 2024 zu erreichen. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurden ca. 108 Grundwassermessstellen neu gebaut; weitere 100 Neubauten sind in der laufenden Legislaturperiode geplant. Ob das wirklich eine Lösung bringt und den Konflikt mit den Landwirten und Landwirtinnen befriedet? Ich bezweifele das. Wir diskutieren mit dem Bauernverband seit Jahren über jede einzelne Messstelle im Land. Wenn deren Zahl wächst, werden die Diskussionen nicht weniger werden. Das ist meine Prognose. Vielleicht wäre es besser, einen globalen Schnitt zu machen und eine Reduktion der Stickstoffmenge um 10 Prozent auf der Gesamtfläche vorzugeben. Wir werden auf der Sonderkonferenz der Agrarminister darüber zu reden haben.
GAP
Ich habe zahlreiche Gespräche mit jungen Landwirten geführt und es gibt viel Unsicherheit was die kommende GAP-Förderperiode angeht. Die jungen Menschen haben Sorge, ob es überhaupt eine Zukunft für sie in der Landwirtschaft geben wird. Ich kann sagen: Mein Haus hat seinen Teil zum Strategieplan beigetragen und ihn an die Bundesregierung geliefert. Stichworte sind unter anderem: 4 Prozent Stilllegungsflächen, erweiterte Fruchtfolge (Eiweißprogramm), Paludi und Öko-Landbau. Aber der Bund lässt sich mit der Ausgestaltung Zeit – Zeit, die die Betriebe nicht haben. Jetzt läuft die Ernte und damit die Planung für die kommende Saison. Die Betriebe können nicht bis September oder Oktober warten, bis klar ist, wie es mit der Agrarförderung weitergeht. Hier hat das BMEL viel zu sehr getrödelt.
Mecklenburg-Vorpommern hat seine Hausaufgaben gemacht, um den Landwirtinnen und Landwirten ihr Auskommen zu sichern. So wurden im Zeitraum von April bis 30.06.2022 für das Verpflichtungsjahr 2021 für die Maßnahmen der 2. Säule mehr als 81,5 Mio. Euro ausgezahlt. Wie gewohnt werden auch die Direktzahlungen kurz Weihnachten 2022 wieder an die Antragsteller ausgezahlt werden. Gegenwärtig gehen wir von einem ähnlichen Finanzvolumen wie 2021 aus, so dass ca. 346 Mio. Euro zur Auszahlung kommen werden.
Auch für die angeschlagenen schweinehaltenden Betriebe haben wir uns eingesetzt und aus dem Härtefallfonds Mittel akquiriert. Diese werden durch das Landesförderinstitut – nach Prüfung der Einzelfälle – ausgezahlt. Es wurden bisher 9,75 Mio. Euro€ aus dem Härtefallfond für 53 Landwirte bewilligt. Insgesamt sind 10,7 Mio. Euro€ zur Hilfe der schwierigen Situation auf den schweinehaltenden Betrieben geplant.
Aber ich sage deutlich: Das wird nicht reichen. Wenn wir als Gesellschaft eine bessere Tierhaltung, sauberes Wasser und eine artenreiche Flora und Fauna wollen, werden wir dies nicht zum Nulltarif bekommen. Ich erwarte mehr Unterstützung und kalre Aussagen von der Bundesregierung. Keine der zu Beginn genannten Krisen wird uns demnächst aus den Fängen lassen. Anders als bei Covid-19 darf die Land- und Ernährungswirtschaft bei kommenden Hilfspaketen nicht wieder ignoriert werden“, so Backhaus abschließend.
Quelle: Regierungsportal M-V
Bildquelle: ML-Archiv
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