Seit dem Kriegsausbruch im Osten Europas hat sich auch für Deutschland vieles geändert. Es werden Gelder für die Ausrüstung der Bundeswehr bereitgestellt, Waffen an eine Kriegspartei geliefert. Es werden politische Entscheidungen getroffen, die noch vor einer Woche undenkbar waren. Auch die gesamte Rhetorik hat sich verändert. Es scheint sich ein fundamentaler Wandel zu vollziehen, weg von Ideologien und hin zu Realitäten, die auf tragische Weise nun für alle offensichtlich wurden. Was in der deutschen Sicherheitspolitik bereits angestoßen wurde, steht wohl auch im Bereich Energiepolitik an, ganz sicher aber in der Agrarpolitik, denn es geht um nicht weniger als die Ernährungssicherung der Bevölkerung!

Deshalb fordert Landwirtschaft verbindet Deutschland e.V. bereits seit Jahren das Staatsziel Ernährungssicherung durch regionale Erzeugung und Verarbeitung!

Denn damit die staatlichen Organe künftig in die Lage versetzt sind, Belange des Umweltschutzes mit denen der Ernährungssicherung optimal in Einklang zu bringen, ist es erforderlich, die Ernährungssicherung durch regionale Produktion und Verarbeitung in den Rang eines Staatsziels zu erheben.

Globalisierung brachte Abhängigkeiten. 

Sowohl die Ukraine, als auch Russland spielen für die deutsche und gesamteuropäische Landwirtschaft eine gewaltige Rolle. Nach Angaben der International Trade Administration produziert die Ukraine für die weltweiten Agrarlieferungen 12 % des Weizens, aber auch 16% Mais, 18% Gerste und 19% Raps. Vor allem aber 50% Sonnenblumenöls weltweit. 2019 wurden 73% der ukrainischen Agrarausfuhren in die EU importiert.

Kommen wir zu Russland: hier werden 60% des weltweit vorhandenen Ammoniumnitrat-Düngers, sowie 40 % des globalen Kalivorkommens produziert und unter anderem in Länder exportiert, aus denen Deutschland Futtermittel importiert. Den Export der wichtigsten Stickstoffdünger hat Russland bereits zu Gunsten des eigenen Marktes gestoppt. Und auch Futtermittel auf Bio-Standard sind in den Fokus geraten, denn sie werden bisher direkt aus der Ukraine nach Deutschland eingeführt. Eine enorme Preissteigerung hierfür wird bereits von Experten prognostiziert. 

Neue Bewertung der Situation auf dem Agrarmarkt dringend erforderlich!

Bis jetzt ist die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auf dem Weg in Richtung „Farm-to-Fork“ und „Green Deal“. Ein vielleicht gut gemeintes Streben nach Biodiversität, Artenvielfalt und Klimaschutz wird durch ideologisch geprägtes Handeln – fern jeder Praxis – in vielen Fällen das Gegenteil erreichen. So wird die neue GAP ganz sicher die jetzt schon drastisch gesunkene Selbstversorgungsquote mit Lebensmitteln massiv weiter reduzieren. Und wieder wurde es  innerhalb der neuen GAP versäumt, die Maßnahmen auf unseren Wiesen und Äckern mit der Landwirtschaft gemeinsam in einer wissenschaftlichen Evaluation zu begleiten. Ganz sicher ist es auch versäumt worden, Bäuerinnen und Bauern mitzunehmen, zu begeistern und wertgleich zu kompensieren – von der versprochenen Möglichkeit durch geringere Intensität mehr Wertschöpfung zu generieren ist nichts geblieben. Stattdessen sollen 10 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen aus der Produktion genommen werden. 25-30 % sollen auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt werden, was einen Rückgang der Erntemengen um etwa 50% zur Folge hätte. Dazu soll sich die Reduktion der Pflanzenschutzmittel auf 50% belaufen, unser wichtigstes Werkzeug für die Sicherung der Ernte.

Fest steht inzwischen ebenfalls, dass die deutsche Gesellschaft zum Verlierer werden wird. Die Nahrungsmittel, die unsere heimische Landwirtschaft im Rahmen der GAP 2023 nicht mehr erzeugen wird, werden wir zukünftig auf internationalen Märkte mit zweifelhaften Produktionsbedingungen zurückkaufen müssen, und zwar teuer und aufgrund langer Transportwege klimaschädlich. Das wird kein Vorteil sein, für nichts und niemanden!
Abhängigkeit von volatilen Märkten und fragilen Warenströmen lassen sich nicht gegen Tierwohlforderungen und aufoktroyierter Ineffizienz abwägen! Ein „weiter so!“ bei der wachsenden Abhängigkeit von Lebensmittelimporten darf auf keinen Fall das Resultat einer GAP sein!


Landwirte fordern Moratorium der GAP!

LsV Deutschland e.V. fordert aus diesen Gründen und in Anbetracht der jüngsten politischen Ereignisse ein Moratorium sowie Nachbesserung der GAP 2023-2027. Dies ist für die Landwirtschaft und die Unabhängigkeit von Deutschland und Europa notwendig. Die unbestrittene Effizienz der heimischen Landwirtschaft kann nicht sehenden Auges dem Gedanken nach kompletter Extensivierung durch GAP, „Green Deal“ und „Farm to Fork“ geopfert werden.

Landwirte fordern das #Staatsziel Ernährungssicherung!

Seit 1949 haben mehrere Staatsziele Eingang in das Grundgesetz gefunden, zuletzt in Art. 20a GG der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie der Tiere. Die Erzeugung hochwertiger, gesunder Lebensmittel zur Ernährungssicherung durch regionale Produktion und Verarbeitung hat diese verfassungsrechtliche Wertschätzung bisher nicht erfahren. 

Dabei ist das Recht auf angemessene Ernährung sowohl im UN-Sozialpakt als auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als Menschenrecht verankert. Regionale Produktion und Verarbeitung gewährleistet die Lebensmittelsicherheit durch hohe Standards und ist durch kurze Lieferketten krisensicher und klimaschonend. Denn die Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung ist durch die Auswirkungen des Klimawandels genauso gefährdet wie durch kriegerische Auseinandersetzungen, Bodenspekulationen, ideologisch betriebenen Umweltschutz und eine rasant wachsende Weltbevölkerung. 

Treffen zwei gleichrangige Verfassungsnormen aufeinander, soll ein möglichst schonender Ausgleich zwischen beiden realisiert werden. Bisher hat jedoch allein der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen Verfassungsrang, während die Nutzung dieser Ressourcen zur Sicherung der menschlichen Ernährung diesen Status nicht innehat.

Damit die staatlichen Organe künftig in die Lage versetzt sind, Belange des Umweltschutzes mit denen der Ernährungssicherung optimal in Einklang zu bringen, ist es erforderlich, die Ernährungssicherung durch regionale Produktion und Verarbeitung in den Rang eines Staatsziels zu erheben. 

Zu diesem Zweck könnte Art. 20a GG künftig wie folgt lauten: 

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen, die Tiere und die Sicherung der menschlichen Ernährung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Quelle: LsV Deutschland e.V.

Bildquelle: ML-Archiv


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