Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2019 entschieden, dass das wirtschaftliche Interesse an speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchteten Hennen im Sinne des Tierschutzgesetzes kein vernünftiger Grund für das Töten der männlichen Küken aus diesen Zuchtlinien sei [1].
Begleitet wurde diese Entscheidung von zahlreichen emotionalen Kampagnen der einschlägigen Tierschutz-NGOs, die lautstark ein Ende des „Kükenschredderns“ forderten. Der Deutsche Bundestag beugte sich diesem Druck schließlich und seit dem 1. Januar 2022 ist das Töten von Hühnerküken in Deutschland gesetzlich verboten.
Was von der Politik gegenüber der Öffentlichkeit allerdings bewusst verschwiegen wurde, dass die männlichen Küken in Wahrheit gar nicht geschreddert wurden, sondern mit Kohlendioxid eingeschläfert und anschließend als wertvolles Ganzkörperfutter an Zoos, Falknereien, stationäre Zoofachhandlungen sowie Auffang- und Pflegestationen verkauft wurden.
Das war sinnvoll, denn Hühnerküken sind ein ernährungsphysiologisch ausgewogenes, hygienisches und artgerechtes Futtermittel für verschiedene Tierarten aus den Tierklassen der Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien. Sie haben bereits ab dem ersten Lebenstag eine vorteilhafte Nährstoff- und Vitaminzusammensetzung und ermöglichen die bei vielen Tierarten aus veterinärmedizinischer Sicht erforderliche Ganzkörperfütterung. Vogelfressenden Tierarten benötigen vollständige Futtertiere aviären Ursprungs, um der natürlichen Prädation von Jungvögeln biologisch Rechnung zu tragen. Vor allem bei Greifvögeln und Eulen sind die wenig- oder nicht-verdaulichen Strukturen wie Federn, Haare, Knochen, Sehnen und Horn zur physiologischen Gewöllebildung für eine artgerechte Ernährung erforderlich.
Als alternative Futtermittel kommen für die Vogelfressenden Tierarten nur Küken anderer Vogelarten in Betracht, wie beispielsweise Wachteln. Für nicht ausschließlich auf Vögel spezialisierte Beutegreifer können hingegen verschiedene Kleinsäuger wie Mäuse, Ratten, Hamster, Kaninchen und Meerschweinchen den Futterbedarf auffangen, wobei die dementsprechende Zucht dafür natürlich massiv ausgeweitet werden müsste und ressourcenintensiv wäre. Anders als bei Hühnerküken ist bei Futtertieren anderer Arten aber eine mehrwöchige Haltung und Fütterung erforderlich. In dieser Zeit besteht die Gefahr der Entstehung von Infektionen, Erkrankungen oder Kontaminationen des Futtertiers.
Wenn wir den Bedarf an Futterküken betrachten, dann haben allein die zoologischen Einrichtungen in Deutschland schätzungsweise einen jährlichen Bedarf von etwa 19,6 Millionen Futterküken. Für die falknerisch gehaltenen Greifvögel und Eulen sowie Wildtiere in Auffang- und Pflegestationen ist von einem Bedarf von etwa 10,4 Millionen Futterküken und für den deutschen Zoofachhandel von etwa 0,68 Millionen Futterküken auszugehen. Insgesamt errechnet sich so ein jährlicher Gesamtbedarf von knapp 31 Millionen Futterküken [2]. Eine andere wissenschaftliche Studie kam zu dem Ergebnis, dass anhand der vorliegenden Schätzungen sogar zu vermuten sei, dass Zoos, Falknereien und stationären Zoofachhandlungen mehr als alle in Deutschland getöteten männlichen Eintagsküken verfüttert und möglicherweise in großer Zahl getötete Hühnerküken aus dem Ausland importiert wurden [3].
Es ist logischerweise davon auszugehen, dass dieser Bedarf nach dem vollständigen Verbot des Tötens männlicher Hühnerküken gleichgeblieben ist. Dieser kann jetzt allerdings nicht mehr aus deutscher Produktion gedeckt werden. Das heißt, dass die Futtertierproduktion komplett ins Ausland verlagert wurde und Deutschland 100% der Futterküken aus dem Ausland importieren muss. Damit gilt für die dort erbrüteten Küken nicht mehr das deutsche Tierschutzgesetz und Deutschland hat keinerlei Möglichkeit mehr, die tierschutzrechtlichen und tierseuchenrechtlichen Bestimmungen zu überwachen. Ein Bärendienst für den Tierschutz! Der Bundesregierung scheint diese unbequeme Wahrheit bewusst zu sein, denn sie führt weder Erhebungen über den Import von toten Eintagsküken durch, noch beabsichtigt sie dies künftig zu tun [4]. Es ist wie immer in der Politik: Aus den Augen, aus dem Sinn.
[1] Urteil vom 13.06.2019 – BVerwG 3 C 28.16, https://www.bverwg.de/130619U3C28.16.0
[2] Dr. Fischer, D. (2021): Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung
und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages am 3. Mai 2021: Eignung, Relevanz und Bedeutung von Hühnerküken als Futtermittel. https://www.bundestag.de/resource/blob/838746/69fa521a018a8283dcbfb8e7e733e300/02_G_Stellgn-Dr-Fischer-data.pdf
[3] Schulze Walgern, Anna et al. (2020): Umfang und Verwertung männlicher Eintagsküken in Deutschland. Iserlohn: Fachhochschule Südwestfalen. (= Forschungsnotizen des Fachbereichs Agrarwirtschaft Soest). Online unter: https://publikationen.fhb.fh-swf.de/receive/fhswf_mods_00000164
[4] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion, Ökologische und ökonomische Auswirkungen des Kükentötungsverbots in Deutschland (20/974), Frage 7 https://dserver.bundestag.de/btd/20/009/2000974.pdf
Quelle: Niklas Frohn
Bildquelle: ML-Archiv
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