Ernährungsarmut in Deutschland stellt ein wachsendes Problem dar und die derzeitigen staatlichen finanziellen Hilfen reichen nicht aus. Darüber waren sich die Referierenden auf dem 7. BZfE-Forum „Ernährungsarmut in Deutschland – sehen, verstehen, begegnen“ in Bonn einig.

Dazu sagte Eva Bell, Leiterin der Abteilung „Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Ernährung“ im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): „Das Thema Ernährungsarmut hat im vergangenen Jahr besonders an Aktualität gewonnen. Es ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das auch das BMEL adressiert. Wir setzen alles daran, dass alle Menschen gesund leben und alt werden können. Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die federführend vom BMEL erarbeitet wird, wird daher das Thema Ernährungsarmut aufgreifen.“

Vorurteile abbauen – Schubladendenken aufbrechen!

Auch laut Professorin Tina Bartelmeß von der Universität Bayreuth eine dringende Aufgabe angesichts von rund drei Millionen Menschen, die in Deutschland unter Ernährungsarmut leiden – und den teils schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Dabei werde Ernährungsarmut von einem Teil der Gesellschaft nicht als Problem anerkannt, das politisch zu lösen ist, sondern sie schöben den Betroffenen die Verantwortung zu. Der Vorwurf der mangelnden Bildung oder der fehlenden Alltagskompetenzen seien Beispiele für allzu einfache plakative Schubladen. Wehrten sich die Betroffenen dagegen und schilderten in den Sozialen Medien beispielsweise unter dem Hashtag #ichbinarmutsbetroffen, wie sich Ernährungsarmut konkret anfühle oder schilderten ihre individuellen Schicksale, begegneten ihnen häufig Hasskommentare.

Oft gestehe die Gesellschaft von Armut betroffenen Menschen auch nicht das Recht einer sozialen Teilhabe zu, wie einen Kaffee trinken zu gehen, nach ihren Vorlieben und Gewohnheiten zu essen oder Gäste zum Geburtstag einzuladen. Bisher seien dafür im Bürgergeld keine Mittel vorgesehen.

Kostenloses Kita- und Schulessen als Teil der Lösung

Und was, wenn das Geld nicht einmal mehr für ein Pausenbrot oder die Schulkantine reicht? Dann fehlen Kindern und Jugendlichen aus Armutshaushalten Energie und Nährstoffe, die sie für eine gesunde Entwicklung und zum Lernen brauchen. So geraten sie immer tiefer in eine Armutsspirale und erleben das Gegenteil von Chancengleichheit.

Neben höheren Regelsätzen wäre, so Professorin Ulrike Arens-Azevêdo, Expertin für Gemeinschaftsverpflegung, eine kostenlose Kita- und Schulverpflegung daher ein zentraler Hebel gegen Ernährungsarmut. Wie effektiv dieser sei, zeige das Beispiel Schweden: Kinder, die dort kostenloses Schulessen bekamen, waren größer, insgesamt gesünder und erzielten später ein höheres Einkommen.

Ernährungsarmut muss sichtbarer werden.

Beim BZfE-Forum waren sich die Teilnehmenden einig: Bis die staatlichen Weichen anders gestellt werden, gilt „Ernährungsarmut in Deutschland ist definitiv ein Thema, um das wir uns auch als Ernährungscommunity kümmern müssen.“ So der Aufruf von Dr. Margareta Büning-Fesel, Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Damit bezog sie sich sowohl auf Forschungsprojekte und die fachliche Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen, als auch auf eine gute Wissenschaftskommunikation.

Eva Zovko, Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE), ergänzte: „Mit dieser Veranstaltung machen wir das Thema Ernährungsarmut sichtbarer. Wir werden als Bundeszentrum für Ernährung dieses wichtige gesellschaftliche Thema auf jeden Fall kommunikativ weiter begleiten.“ Das bedeute letztendlich, nicht nur über die von Ernährungsarmut Betroffenen zu sprechen, sondern sie persönlich zu Wort kommen zu lassen. Es sei gesellschaftlich unabdingbar, die konkreten Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in allen Dimensionen von Ernährung frei von Vorurteilen zu sehen und zu verstehen sowie den Problemen mit passenden Hilfen zu begegnen.

Quelle: BZFE

Bildquelle: ML-Archiv


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