Der Bundestag hat den Gesetzentwurf des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, zur Änderung des Tierarzneimittelgesetzes verabschiedet. Ziel ist es, den wirkstoff- und anwendungsbezogenen Einsatz von Antibiotika in landwirtschaftlichen Betrieben besser zu erfassen und dauerhaft zu senken.

Bundesminister Özdemir: „Antibiotikaresistenzen sind eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Zurecht wird bei Antibiotikaresistenzen auch von der ‚stillen Pandemie‘ gesprochen. Damit wir auch in Zukunft Krankheiten bei Mensch und Tier wirkungsvoll behandeln können, müssen wir den Einsatz von Antibiotika dauerhaft senken. Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz kommen wir einen großen Schritt voran.“

  • Erstmals wird ein Reduktionsziel für Antibiotika verankert. Dieses Ziel von minus 50 Prozent für Antibiotika entspricht der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem. Die neuen Vorschriften zur Antibiotikaminimierung sollen einen Beitrag leisten, dieses Reduktionsziel zu erreichen.
  • Das derzeit ausschließlich für den Bereich der Tiermast geltende Minimierungskonzept soll künftig auch Betriebe mit weiteren Tieren einbeziehen: Milchkühe, Kälber, die nicht im Haltungsbetrieb geboren sind, Jung- und Legehennen und Sauen mit Saugferkeln. Die Antibiotika-Anwendung soll auch in Betrieben mit diesen Tieren erfasst und systematisch reduziert werden. 
  • Die zuständigen Überwachungsbehörden werden wir stärken. Neu ist: Die Behörden vor Ort sind künftig gesetzlich verpflichtet, Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, wenn dies zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in einem tierhaltenden Betrieb erforderlich ist. 
  • Für Antibiotika, die aufgrund ihrer therapeutischen Relevanz eine kritische Bedeutung haben (Colistin, Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation) soll es einen Wichtungsfaktor geben. Für Tierärzte und Tierhalter wird damit das Signal gesetzt, die Anwendung dieser Antibiotika mit kritischer Bedeutung auf das unvermeidbare Minimum zu reduzieren. Denn Antibiotika mit kritischer Bedeutung müssen wirksam bleiben bei schwersten Erkrankungen von Mensch und Tier. Das ist gerade dann wichtig, wenn es kein anderes Medikament mehr gibt, das alternativ zur Therapie eingesetzt werden kann.
  • Im Hinblick auf Colistin stellen wir die Weichen für striktere nationale Regelungen, indem wir Klarstellungen in der Ermächtigungsgrundlage vornehmen. Diese Vorschrift ist Rechtsgrundlage für den Erlass nationaler Rechtsverordnungen, mit denen u.a. ein nationales Verbot der Umwidmung von Colistinpräparaten zur oralen Anwendung bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, geregelt werden kann.

Die Anwendung von Antibiotika soll auf ein therapeutisch unvermeidbares Minimum reduziert werden. Auch vor diesem Hintergrund ist der Umbau der Tierhaltung von zentraler Bedeutung, um die Tiergesundheit zu verbessern.

Bundesminister Özdemir: „Wenn ein tierhaltender Betrieb deutlich mehr Antibiotika anwendet als der Großteil vergleichbarer Betriebe, dann ist das schon ein klarer Hinweis darauf, dass es Defizite in der Form der Tierhaltung gibt. Weniger Tiere und dafür besser halten – darum muss es gehen. Mehr Tierwohl im Stall ist Teil einer zukunftsfesten Tierhaltung. Die ersten Schritte zum Umbau der Tierhaltung haben wir mit dem Kabinettsbeschluss zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und der Befürwortung durch den Bundesrat getan. Und die Anschubfinanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro kann sowohl für Investitionen in den Umbau der Ställe verwendet werden als auch für laufende Mehrausgaben, wenn weniger Tiere künftig besser gehalten werden. Dafür setzen wir ein neues Bundesprogramm auf, quasi aus einer Hand und einem Guss.“

Um der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen („Stille Pandemie“) entgegenzuwirken, sind angesichts der grenzüberschreitenden Problematik neben nationalen auch europäische Vorschriften dringend notwendig. Das BMEL setzt sich deshalb aktuell auf EU-Ebene dafür ein, dass ausstehende Regelungen schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, die weitere europaweite Beschränkungen für die Antibiotika-Anwendung bei Tieren vorsehen.

Hintergrund:

Mit dem Tierarzneimittelgesetz (TAMG) gilt seit dem 28. Januar 2022 in Deutschland ein eigenständiges Tierarzneimittelrecht. Das derzeit geltende nationale TAMG enthält Vorschriften zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel und führt das nationale Antibiotikaminimierungskonzept der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes aus dem Jahr 2014 bisher fort. Daher besteht Anpassungsbedarf bei den Vorschriften zur Antibiotikaminimierung. Außerdem müssen Vorschriften erlassen werden für die nach dem EU-Recht erforderliche Antibiotikadatenerfassung. Demnach müssen Mitgliedstaaten ab 2024 jährlich umfassende Daten zur Anwendung von Antibiotika bei Tieren an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) übermitteln. 

Die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel, die seit dem 28. Januar 2022 in allen EU-Mitgliedstaaten anzuwenden ist, enthält wichtige Regelungen für die Antibiotika-Anwendung bei Tieren:  

  • Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren wird eingeschränkt, z.B. indem die prophylaktische Anwendung von Antibiotika bei Tiergruppen ausdrücklich verboten ist.  
  • Außerdem wird die Zulassung und Anwendung von solchen Antibiotika bei Tieren untersagt, deren antimikrobielle Wirkstoffe der Behandlung bakterieller Infektionen beim Menschen vorbehalten bleiben müssen. Die Liste dieser Antibiotika ist im Ständigen Tierarzneimittelausschuss am 4. Juli 2022 mehrheitlich angenommen worden und ist als Durchführungsverordnung (EU) 2022/1255 der Kommission vom 19. Juli 2022 ergangen, die Vorschrift ist ab 9. Februar 2023 anzuwenden.

Quelle: BMEL

Bildquelle: ML-Archiv