Als deutscher Schweinehalter reibt man sich derzeit verwundert die Augen. Im Koalitionsvertrag kündigen die Ampelparteien noch eine Einführung einer Herkunftskennzeichnung an. Kaum ist die neue Bundesregierung im Amt wird die Kennzeichnung mit Verweis auf europarechtliche Fragestellungen an Brüssel abgegeben. Frankreich zeigt hingegen wie es gehen kann: Ab März müssen dort Gastronomiebetriebe die Herkunft des angebotenen Fleisches angeben.

ISN: Wird die Koalition des Aufbruchs nun zur Abbruchkolonne? Ist es verzögertes Handeln aus Unwissenheit oder Absicht?

Cem Özdemir verspielt jedenfalls gerade seinen Vertrauensvorschuss als Brückenbauer. Die Schweinehalter brauchen nämlich Klarheit – bei den mittel bis langfristigen Perspektive und besonders auch bei den kurzfristigen Überbrückungshilfen!

Statt mit der geplanten Einführung einer Haltungskennzeichnung für tierische Erzeugnisse auch gleichzeitig die Herkunftskennzeichnung zu implementieren, schiebt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) das im Koalitionsvertrag angekündigte Ziel mit Verweis auf EU-rechtliche Fragestellung Richtung Brüssel. Auf eine nationale Lösung wird also weiter gewartet, obwohl besonders die Herkunftskennzeichnung so entscheidend ist, um die Schweinehaltung in Deutschland zu erhalten. Das BMEL wird ihrem Anspruch nach einem echten Aufbruch nicht gerecht und verfällt in alte Muster – mit ungewissem Ausgang, kommentiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Schon vor zwei Jahren brachte die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Thema europäische Tierwohlkennzeichnung in Brüssel auf die Tagesordnung. Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollte die Initiative vorangebracht werden, aber seitdem ist das Thema nicht weitergekommen. Das wird auch Herrn Özdemir nicht entgangen sein und trotzdem will man in Deutschland auf Brüssel warten? Die neuerlichen Abstimmungsprozesse auf europäischer Ebene werden dauern – die Zeit haben wir nicht, drängt Staack.

Frankreich führt Herkunftskennzeichnung für Gastronomie ein

Gleichzeitig zeigt man in Frankreich, dass es auch anders geht. Eine gestern veröffentliche Verordnung verpflichtet Restaurants und Kantinen dazu, ab März die Herkunft von angebotenem Schweine-, Geflügel- und Lammfleisch anzugeben. Künftig soll bei roh gekauftem Fleisch das Zuchtland und das Schlachtland angeben werden, außerdem ob es sich um frisches oder tiefgefrorenes Fleisch handelt. Laut einem Bericht der Tagesschau, will die französische Regierung damit den Verzehr von heimischen Produkten ankurbeln. Eine nationale Lösung geht also doch, wenn man nur den nötigen politischen Willen zeigt. Wir erwarten, dass sich Deutschland genauso dieser Verantwortung stellt. Das Vorbild aus Frankreich sollte eine Blaupause werden – übrigens ausdrücklich auch für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung! Denn gerade im Gastronomie- und Großverbraucherbereich landet doch die anonyme Ware, bei der nicht ersichtlich ist, woher sie kommt und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wurde. Also genau die Ware, von deren Produktionsbedingungen man sich hierzulande absetzen will, fordert Staack.

Gesamtkonzept muss zügig kommen

Nicht nur bei der Herkunftskennzeichnung lässt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Klarheit vermissen. Bislang gibt es wenig bis gar keine Aussagen zur Finanzierung – sowohl im Koalitionsvertrag als auch in allen Auftaktrunden ist der Minister bisher äußert schwammig geblieben. Staack: Wir haben zwar Verständnis dafür, dass man sich im Landwirtschaftsministerium erst orientieren und sortieren muss. Allerdings rechtfertigt das nicht das, was die Hausleitung bislang vorlegt. Wichtige Weichen für die Zukunft werden auf Basis von undurchdachtem Stückwerk gestellt. Für die wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehenden Schweinehalter ist das mehr als enttäuschend! Weiter argumentiert Staack: Die Tatsache, dass die Herkunftskennzeichnung nach Brüssel geschoben wird und der weitere Plan vorsieht, bis zum Sommer einen Entwurf für die Haltungskennzeichnung vorzulegen und bis zum Ende des Jahres dann für die Finanzierung, zeigt doch, dass Özdemir nicht verstanden hat, dass es ein Gesamtkonzept aus einem Guss sein muss, erläutert Staack. Wir wünschen uns daher nicht nur, sondern wir erwarten hier schnellstens klare Aussagen, wie das schlüssige Gesamtkonzept aus Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, inklusive Finanzierung aussieht. Wir erwarten zudem, dass dieses Gesamtkonzept abgestimmt wird mit denen, die es betrifft – den Tierhaltern. Derzeit scheint das Landwirtschaftsministerium eher unter sich rumwurschteln zu wollen

ISN fordert Klarstellung zur Überbrückungshilfe

Ein klare Aussage fehlt außerdem zu Hilfsgeldern, um die schweinehaltenden Betriebe in der gegenwärtigen Situation zu unterstützen. Staack: Wer die Zukunft auf den Weg bringen will, der muss jetzt die Schweinehalter bei der Bewältigung der akuten Preiskrise unterstützen. Das heißt, die Schweinehalter brauchen kurzfristig Unterstützung, um betrieblich zu überleben! Staack erläutert weiter Den Schweinehaltern steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Sie brauchen dringend kurzfristige Unterstützung. Hier hakt es, weil von Seiten der Bundesregierung wichtige Klarstellungen zur Bewilligung der Hilfsgelder fehlen. Leider gab es dazu bislang keine Aussage! Dabei tickt die Uhr: An jedem Tag, an dem sich deren Auszahlung weiter verzögert und noch nicht auf den Konten der Schweinehalter ankommt, gehen mehr Betriebe im finanziellen Desaster unter. Betriebe, welche die gesellschaftlich gewünschten Veränderungen in ihren Ställen nicht mehr umsetzen können, warnt Staack. Übrigens: Auch das haben wir dem Minister bereits im Dezember mitgeteilt.

Dr. Torsten Staack: „Wir erwarten von der Regierung schnellstens klare Aussagen, wie das schlüssige Gesamtkonzept aus Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, inklusive Finanzierung aussieht.“ Bildquelle: ISN

ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack kommentiert das Vorgehen des Landwirtschaftsministers Cem Özdemir und der neuen Bundesregierung:  

Wird die Koalition des Aufbruchs nun zur Abbruchkolonne? So mutet es aktuell zumindest für die wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehenden Schweinehalter an, was in Berlin passiert! Statt die ehrgeizigen Ziele zu verfolgen, werden sie nun auf die lange Bank geschoben. Die für deutsche Schweinehalter so wichtige Herkunftskennzeichnung wird in einen langen Abstimmungsprozess nach Brüssel geschickt – mit ungewissem Ausgang. Und erst zum Ende des Jahres soll erst geklärt werden, wie der Umbau der der Tierhaltung finanziert werden soll. Die Zeit haben die deutschen Schweinehalter nicht – denn dann sind viele von ihnen bereits ausgestiegen. All die schönen Sonntagsreden des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir zum Erhalt der bäuerlichen Existenzen auf den Betrieben sind unehrlich, wenn so gehandelt oder eben nicht gehandelt wird, wie jetzt. Denn gerade jene bäuerlichen Existenzen gehen zuerst verloren. Ist es verzögertes Handeln aus Unwissenheit oder Absicht?

Cem Özdemir verspielt jedenfalls gerade seinen Vertrauensvorschuss als Brückenbauer. Dabei macht Frankreich doch vor, wie es gehen kann und auch in Deutschland sind die Konzepte in der Borchert-Kommission lange diskutiert und liegen auf dem Tisch. Dann darf das alles doch nicht mehr so dauern! Und wenn man dann noch nicht einmal kurzfristig das Gespräch mit den Praktikern aufnehmen will, die das betrifft und stattdessen im Saft des eigenen Hauses schmoren will, dann macht es wenig Hoffnungen, dass das, was aus Berlin kommt, noch was wird. Wir erwarten schnellstens klare Aussagen, wie das schlüssige Gesamtkonzept aus Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, inklusive Finanzierung aussieht. Und wir erwarten noch schnellere Klarheit zu den Überbrückungshilfen, damit die Akuthilfe endlich auf den Konten der Schweinehalter ankommen. Eins hat Herr Özdemir bereits jetzt gezeigt: Wie schnell man einen Vertrauensvorschuß verspielen kann!

Quelle: ISN

Bildquelle: ISN / ML-Archiv


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