von Dr. iur. Matthias Göschke

28.07.2021

  1. Zusammenfassung und Empfehlungen

Für Arbeiten, die Fluthelfer (Private und Unternehmen) leisten, und die an sich (je nach Zuständigkeit für die jeweiligen Arbeiten) aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen Kommunen, Kreise, Länder oder der Bund zu leisten hätten (z.B. Beseitigung von Unrat von den Straßen, Widerherstellung von Straßen und Wegen, Räumung des Kanalnetzes, etc.), steht den helfenden Unternehmern ein Aufwandsersatzanspruch aus „Geschäftsführung ohne Auftrag“ nach §§ 677 ff. BGB zu.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die öffentliche Hand erbrachten Leistungen schenkungsweise erfolgt sind und laufend erfolgen (§ 683 (1) BGB). Dementsprechend sind diese Leistungen nach Maßgabe der §§ 677 ff. BGB abzugelten.

Angesichts der Unrat-Berge besteht aktuell offenbar akute Seuchengefahr, weshalb Gefahr im Verzug vorliegt. Eine Verhinderung der Arbeiten der helfenden Unternehmen durch die öffentliche Hand würde vor diesem Hintergrund in grober Weise mit den Schutz- und Sorgfaltspflichten der öffentlichen Hand kollidieren und entsprechende Amtshaftungsansprüche jener Personen gegenüber der öffentlichen Hand nach sich ziehen, die durch eine Verzögerung der Arbeiten zusätzlich geschädigt würden.

  • Sachverhalt

Private Unternehmer, insbesondere Land- und Forstwirte, Lohnunternehmer, Erdbau-, Hochbau- und Tiefbauunternehmer, Garten- und Landschaftsbauunternehmer, Kanal- und Straßenreinigungsunternehmer, und viele andere Unternehmer, sind beginnend mit dem 15.07./16.07.2021 laufend in den Flutgebieten von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Die Tätigkeiten bestehen im Wesentlichen darin, Häuser und öffentliche Straßen von flutbedingt verlagertem Unrat (angeschwemmtes Gehölz, Müll, Schlamm, Schotter) sowie von flutbedingt entsorgten Gegenständen (Hausrat, Möbel, etc.) der Flutopfer zu reinigen und die Massen an Material rasch abzutransportieren sowie zerstörte Infrastruktur behelfsweise wieder instand zu setzen. Diese Tätigkeiten lassen sich als „primäre Tätigkeiten“ bezeichnen.

Um die geschilderten Arbeiten zu ermöglichen und zu erleichtern, werden begleitende und unterstützende Tätigkeiten von einer Vielzahl von Reifenreparaturbetrieben,

Hydraulikreparaturbetrieben, Essensstationen, und viele andere durchgeführt. Die Betankung der Maschinen erfolgt dem Vernehmen nach kostenfrei durch die Bundeswehr. Ersatzteile, insbesondere Reifen, werden offenbar von der einschlägigen Industrie gespendet. Diese Tätigkeiten lassen sich als „sekundäre Tätigkeiten“ bezeichnen.

Für die geschilderten „primären Tätigkeiten“ gab es offenbar zunächst keine Aufträge. Mittlerweile liegen dem Vernehmen nach diesbezüglich in einigen Kommunen Aufträge der Gemeinden vor, in anderen nicht. Ob und inwieweit für die sekundären Tätigkeiten mittlerweile Aufträge der Kommunen vorliegen, ist nicht bekannt.

  • Rechtsfrage

Es stellt sich die Rechtsfrage, ob, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Entgeltansprüche der helfenden Unternehmen nach BGB bestehen.

  • Rechtslage
    • Öffentliches Recht und Privatrecht

Zunächst ist in rechtlicher Hinsicht zu unterscheiden zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Das öffentliche Recht regelt hier insbesondere die Frage, wer für welche Aufgaben bei der Beseitigung der Flutschäden zuständig ist und wer hier welche Kosten zu tragen hat. Ist beispielsweise die Säuberung der Straßen Aufgabe der Kommunen, dann müssen die Kommunen auch dafür sorgen, dass die Straßen in zumutbarer Weise sauber gehalten werden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben können sich die Kommunen grundsätzlich Dritter bedienen (z.B. private Straßenreinigungsunternehmen, die im Auftrag tätig werden).

  • Privatrecht: Haftung aus Vertrag oder gesetzlicher Anspruch

Das Privatrecht unterscheidet zwischen vertraglichen Ansprüchen (z.B. vertraglicher Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Auftragsverhältnisses) und gesetzlichen Ansprüchen (z.B. deliktischer Schadenersatzanspruch). Innerhalb des Bereichs gesetzlicher Ansprüche gibt es wiederum im Wesentlichen Schadenersatzansprüche und Bereicherungsansprüche.

Bereicherungsansprüche setzen eine unrechtmäßige Bereicherung einer Person zu Lasten einer anderen Person voraus, ohne dass dem ein Vertrag (dann wäre es ein vertraglicher Anspruch) oder eine schädigende Handlung (dann wäre es ein Schadenersatzanspruch) vorausgegangen sein muss.

Es gibt mehrere Arten von Bereicherungsansprüchen. Im vorliegenden Zusammenhang relevant ist die „Geschäftsführung ohne Auftrag“, die in den §§ 677 ff. BGB geregelt ist.

  • Geschäftsführung ohne Auftrag

Bei der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ geht es im Kern darum, dass jemand einem anderen hilft, und den dabei entstehenden Aufwand dafür von demjenigen, dem geholfen wurde, ersetzt erhalten kann. Mit „Geschäftsführer“ ist hier kein GmbH-Geschäftsführer gemeint, sondern jeder, der in der Diktion des 19. Jahrhunderts, „die Geschäfte eines anderen besorgt“. Das Gesetz kennt den „Geschäftsherrn“ (das ist derjenige, dem geholfen wird) und den „Geschäftsführer“ (das ist derjenige, der hilft). § 677 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelt die „Geschäftsführung ohne Auftrag“:

§ 677 Pflichten des Geschäftsführers

Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.

Diese Bestimmung ist grundsätzlich für den Fall gedacht, dass der „Geschäftsherr“ nicht erreichbar ist (z.B. sich auf Urlaub befindet) und gleichzeitig Eile geboten ist (z.B. Feuer, Flut, etc.). In diesem Fall ist jeder Helfer grundsätzlich als „Geschäftsführer ohne Auftrag“ zu qualifizieren, weil er die „Geschäfte“ (im Beispiel: löschen, abdichten, retten) eines anderen (hier: des „Geschäftsherrn“) besorgt.

  • Entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn

Es ist allerdings auch denkbar, dass der „Geschäftsherr“, obwohl er eigentlich dringend  Hilfe benötigen würde, dennoch nicht will, dass man ihm hilft. Z.B. könnte der „Geschäftsherr“ ausdrücklich wünschen, dass ein alter Holzschuppen der (zufällig) abbrennt, nicht gelöscht wird, weil er den Schuppen ohnehin abreißen wollte. Dementsprechend sieht das BGB in § 678 BGB eine Ausnahme vor:

§ 678 Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn

Steht die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch und musste der Geschäftsführer dies erkennen, so ist er dem Geschäftsherrn zum Ersatz des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens auch dann verpflichtet, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt.

Das bedeutet: Handelt der Helfer gegen den Willen des „Geschäftsherrn“ (und war das für den Helfer auch zu erkennen), dann steht dem Helfer (wiederum mit, hier aber nicht relevanten, Ausnahmen) kein Aufwandsersatzanspruch.

  • Erfüllung einer Verpflichtungen im öffentlichen Interesse

Allerdings sieht § 679 BGB hierzu wiederum eine Gegenausnahme vor:

 § 679 Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn

Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen

Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde.

Das bedeutet: Ist der „Geschäftsherr“ (vertraglich oder öffentlich-rechtlich) verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit durchzuführen, dann kann er es dem „Geschäftsführer“ (Helfer) gar nicht wirksam verbieten, dass dieser die Handlung selbst durchführt. Ein Beispiel: Stellt jemand seinen eigenen alten Heizöltank in seinen eigenen Vorgarten und rinnt dieser Tank durch ein Leck langsam aus, dann kann ein Abfuhrunternehmen den Tank einfach mitnehmen und ordnungsgemäß entsorgen. Das Abfuhrunternehmen hat dann auch ohne Auftrag des „Geschäftsherrn“ und selbst gegen dessen ausdrücklich erklärten Willen einen Aufwandsersatzanspruch aus „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Der Grund: Der Eigentümer des Tanks wäre eigentlich öffentlich-rechtlich verpflichtet gewesen, den Tank selbst unverzüglich ordnungsgemäß zu entsorgen (ohne dass Öl in den Boden sickert), weshalb sein Widerspruch zur Entsorgung durch das Abfuhrunternehmen eben rechtlich unerheblich ist.

In einer jüngeren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urteil vom 11.03.2016 – V ZR 102/15), dass ein Abschleppunternehmen, das das Fahrzeug einer Kundin nach Ablauf der zulässigen Parkdauer von einem Supermarktparkplatz entfernt, zwar gegen den mutmaßlichen Willen der Halterin tätig wird (§ 678 BGB – siehe oben 4.4.); allerdings sei dieser Wille eben unbeachtlich, weil hier § 679 BGB greife, da das Abschleppunternehmen (hier: der „Geschäftsführer ohne Auftrag“) mit dem Abschleppen des Fahrzeugs eine Verpflichtung der Kundin (hier: der „Geschäftsherrin“) erfüllt (hier: das Entfernen des Fahrzeugs nach Ablauf der zulässigen Parkdauer), die im öffentlichen Interesse gelegen ist. So gilt z.B. auch die Bestattung einer Leiche ohne Auftrag als „Geschäftsführung ohne Auftrag“ (BGH, Urteil vom 17.11.2011 – III ZR 53/11).

  • Berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag

Als „berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag“ gilt jede „Geschäftsführung ohne Auftrag“, die

  • entweder mit dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des „Geschäftsherrn“ übereinstimmt;
  • oder aber zwar gegen den Willen des „Geschäftsherrn“ verstößt, wenn dieser Wille in den in § 679 BGB genannten Konstellationen (siehe oben 4.5.) aber eben unbeachtlich ist.
    • Entgeltanspruch der helfenden Unternehmen

Jedes helfende Unternehmen, das nun jene „primären Tätigkeiten“ erbringt, die an sich Aufgabe der Kommunen wären, ist in rechtlicher Hinsicht damit als „Geschäftsführer ohne Auftrag“ zu qualifizieren. Ein allfälliger Widerspruch der öffentlichen Hand (bzw. der Krisenstäbe) gegen die Durchführung der Arbeiten ist dabei unerheblich, weil die Helfer bezüglich der „primären Tätigkeiten“ Aufgaben erfüllen, zu denen die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet sind, die die Kommunen aber „nicht rechtzeitig“ selber durchführen können – und deren Durchführung ganz unzweifelhaft „im öffentlichen Interesse“ liegen.

  • Schenkungsweise „Geschäftsführung ohne Auftrag“

Sollte der „Geschäftsführer ohne Auftrag“ „nicht die Absicht“ haben, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen, dann steht ein entsprechender Anspruch aus „Geschäftsführung ohne Auftrag“ nach § 685 Abs. 1 BGB aber nicht zu:

§ 685 Schenkungsabsicht

  • Dem Geschäftsführer steht ein Anspruch nicht zu, wenn er nicht die Absicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen.

(…)

Im Zweifel ist niemals davon auszugehen, dass eine Leistung schenkungsweise erbracht wird. Ungeachtet dessen wird seitens der helfenden Unternehmen klar kommuniziert, dass auf ein Entgelt gedrungen wird, weshalb ganz zweifelsfrei keine Schenkungsabsicht besteht. Ganz abgesehen davon müsste der Zahlungspflichtige in jedem einzelnen Fall nachweisen, dass jeder einzelne helfende Unternehmer jeweils „nicht die Absicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen“. Es ist ausgeschlossen, dass das gelingen würde.

  • Höhe des Entgeltsanspruchs

Für den Fall einer „berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag“ sieht § 683 BGB den „Ersatz von Aufwendungen“ vor.

§ 683 Ersatz von Aufwendungen

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

Die Höhe des Aufwandsersatzes kann der „Geschäftsführer ohne Auftrag“ „wie ein Beauftragter“ verlangen. Die Höhe dieses Aufwandsersatzes ist in § 670 BGB geregelt:

§ 670 Ersatz von Aufwendungen

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Die Rechtsprechung anerkennt vollen Kostenersatz. Dieser besteht für Unternehmen aus folgenden Positionen:

  • Maschinenkosten zu den üblichen Sätzen.
  • Arbeitskosten (Mannstunden) zu den üblichen Sätzen.
  • Außerordentliche Kosten durch besondere Gefahrenlage (z.B. überdurchschnittliche Zerstörung von Reifen durch die ungewöhnlich hohe Gefahr von spitzem Metall im

Boden); inwiefern ein Vorteilsausgleich durch die kostenlosen Reifendienste hier in Betracht kommt, wäre noch gesondert zu prüfen, wäre aber wohl eher zu bejahen.

Als übliche Sätze sind unzweifelhaft die Sätze der jeweiligen Maschinenringe bzw. andere einschlägige branchenübliche Sätze zu verstehen.

  • Amtshaftungsrisiko der Krisenstäbe

Die öffentliche Hand, insbesondere die Krisenstäbe, sind gesetzlich verpflichtet, das Nötige und Mögliche zu unternehmen, um die Folgen der Flutkatastrophe so gering wie möglich zu halten. An konkreten Folgen einer Verzögerung der Aufräumungs- und Sanierungsarbeiten kommen verschiedene Schadenskategorien in Betracht:

  • Gesundheitsschäden durch den Ausbruch von Seuchen, weil die Müllberge nicht zeitnah entsorgt werden.
  • Vermögensschäden durch Verdienstentgang, weil sich der Beginn der Wiederaufbauarbeiten verzögert.
  • Sonstige Schäden.

Ein Krisenstab, der durch sein Verhalten kausal dazu beiträgt, dass die Arbeiten der helfenden Unternehmen unterbrochen, verzögert oder sonst erschwert werden und dadurch dafür mitverantwortlich ist, dass sich die genannten Schäden realisieren, setzt sich dem Risiko eines Amtshaftungsanspruchs in erheblichem Umfang aus.

30.07.2021

Dr. iur. Matthias Göschke

Es gibt eine WhatsApp Gruppe die diese Kosten sammelt, betroffene können sich hier eintragen.

Hier sammeln wir sämtliche angefallenen Kosten durch Mensch, Maschine, Reparaturen, Dieselverbrauch, die innerhalb des Einsatzzeitraumes im Krisengebiete angefallen sind.

Maike Schulz-Broers von Land schafft Verbindung e.V.

Quelle: Dr. iur. Matthias Göschke / Land schafft Verbindung e.V.

Bildquelle: ML-Archiv


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