Sie sind krumm, haben Flecken oder kleine Dellen sowie Pickelchen, sind dicker oder dünner oder gar schrumpelig: Wenn Lebensmittel und besonders Obst und Gemüse nicht der „Norm“ entsprechen, werden sie vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH) aussortiert und landen sofort in der Tonne (Food Waste). Doch immer mehr Obst- und Gemüsebauern, Landwirte sowie selbsternannte Lebensmittelretter versuchen, dem Verbraucher auch diese optisch nicht der „Norm“ entsprechende, aber sonst einwandfreie Ware im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. Dass ein Ei wirklich nicht dem anderen gleicht, ist im Eierkarton vom Hof Ilmeaue zu sehen. Junglandwirt Stefan Golze vermarktet auch die Eier seiner Hühner, die Schönheitsfehler aufweisen, und informiert zusätzlich seine Kunden transparent in jeder Packung darüber, teilt der Landvolk-Pressedienst mit.

„Im ersten Moment, denkt man: Was ist das denn? Die Eier sehen anders aus, doch dann wird man neugierig“, berichtet Studentin Frederike Muschalla, die den Hof mit Direktvermarktung immer ansteuert, wenn sie auf Heimatbesuch nach Dassel kommt. Ob Kartoffeln und Nudeln aus der Gemüsebox oder Eier aus dem Automaten, hier weiß sie, dass Tier und Land von Familie Golze gehegt und gepflegt werden. „Wir holen unsere Eier immer direkt von den Hühnerhaltern im Ort, sodass man an Größen-Variationen und verschiedene Farben gewöhnt ist. Aus Neugierde habe ich mich für eine Packung mit dem rosa-roten Sticker, auf dem ,Natürliche Vielfalt‘ stand, entschieden“, berichtet die 24-Jährige. Kunterbunt sei die Mischung in der 10-er Eierschachtel gewesen: kleine, große, hell- und dunkelbraune Eier und zwei ganz besondere. Die Schale sei teilweise gewellt und dünner gewesen als bei den anderen Eiern, aber geschmacklich 1A, so ihr Eier-Urteil.

„Natürliche Vielfalt“ lautet dieses Vermarktungskonzept des Hofs Ilmeaue. „Es geht ja nur um einen sehr kleinen Teil der Eier. Vielleicht ein Prozent der Gesamtmenge. Aber wir versuchen an jeder Stellschraube zu drehen, um unseren Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu leisten. Wir finden, dass auch diese Eier ihren Platz in der Eierschachtel verdient haben“, erklärt dazu Stefan Golze, der seine Freiland-Hühner in drei Hühnermobilen hält. „Auch wenn es sich täglich nur um etwas zwei Handvoll Eier handelt, können wir auf diese Weise zusammen mit unseren Kunden pro Jahr bis zu 4.500 Eier retten“, zeigt Golze auf. Er habe viel mit den Kunden geredet, bis die Vielfalts-Eier so gut angenommen wurden, wie es jetzt der Fall ist und hofft deshalb weiterhin auf die Unterstützung seiner Idee durch den Verbraucher. Frederike Muschalla ist dabei und wird auch zukünftig die „besonderen“ Eier aus Fach 2 des Hof-Automaten wählen.

Food Waste umfasst Waren, die marktfähig und essbar sind, aber aufgrund optischer und qualitativer Makel schon vorher aus der Verwertungskette genommen werden. Im bundesdeutschen Einzelhandel wurden 2021 710.000 t „abgeschrieben“. 210.000 t fließen als Lebensmittelspenden wieder zurück und werden daher nicht als Food Waste erfasst.

Niedrigschwellige Lösungen sind gefragt: Aktionen, wie „Zu gut für die Tonne“ seitens der Politik mit Aufklärungskampagnen inklusive Koch- und Einlagerungstipps, aber auch Aktivisten, die das Containern öffentlich machten, tragen zum Umdenken im Umgang mit Lebensmitteln und zur Lebensmittelrettung bei. Auch die direktvermarktenden Bauernhöfe sowie besondere Internetplattformen, wie etepetete oder foodsharing, versuchen, die optisch nicht einwandfreie Ware in „Retterkisten“ an den bewusst konsumierenden Verbraucher sowie die Tafeln zu bringen. Zunehmend setzen sich auch Blogger und Influencer ein, um auf Lebensmittelverschwendung sowie Ressourcen- und Klimaschutz aufmerksam zu machen, denn laut dem Thünen-Institut landeten rund 12 Mio. Tonnen Lebensmittel in Deutschland pro Jahr im Müll. Die Agrarsoziale Gesellschaft (ASG) bietet zu „Saisonal, regional, bio oder fair… – Einkaufen bedeutet Verantwortung! Unser Lebensstil beeinflusst unsere Landwirtschaft und Region“ unter https://www.asg-goe.de/pdf/Onlineseminar-Saisonal_regional_bio_fair.pdf am 22. und 23. Februar ein Online-Seminar an

Quelle: Landvolk Niedersachsen

Bildquelle: Landvolk Niedersachsen