1). Die Versuche seitens von Vertretern der traditionellen Jagd, den im Bayer. Waldgesetz verankerten Grundsatz „Wald vor Wild“ als nicht anwendbar zu erklären.
Wildtiere, die wegen des Jagdvergnügens im Übermaß gehegt werden, sind in Mitteleuropa seit Jahrhunderten Anlass zu immer wiederkehrenden Konflikten zwischen Grundeigentümern und den jagdausübenden Teilen der Gesellschaft.
Vor dem Hintergrund der zwingenden Notwendigkeit, Wälder gegen die gravierenden Gefahren der Erderwärmung widerstandsfähiger zu machen, sind die Waldeigentümer bei der Waldverjüngung gezwungen, vermehrt Mischwälder zu begründen. Ihre Forderung, deshalb den Wildverbiss durch Begrenzung der Schalenwildbestände spürbar zu minimieren, ist unverzichtbar.
Im Vorfeld zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes erfolgte zwischen den Vertretern von Waldeigentum und Naturschutz einerseits und Vertretern einer traditionellen Jagdausübung auf der anderen Seite, ein teils heftiger Meinungsstreit, der in einer demokratisch verfassten Gesellschaft zunächst einmal als völlig legitim zu werten ist.
Auf der Seite der traditionellen Jagd waren die Positionen jedoch erwartungsgemäß geprägt von der Verteidigung althergebrachter und nicht mehr nachvollziehbarer Überzeugungen. Es wurde dabei auch versucht, gegenüber den mehrheitsbildenden Parteien durch Lobby-Arbeit Einfluss zu nehmen.
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Politik ist dabei hinsichtlich der Redlichkeit der Argumente kritisch darauf zu achten, welche Argumente ernst zu nehmen sind und welche nicht geeignet sind, zur Lösung der Probleme beizutragen.
Die Politik sollte sich daher nicht von allzu einfach gestrickten Slogans seitens traditioneller Jäger vor den Karren spannen lassen, wie dies jüngst bei der Jungen Union Deutschland geschehen ist.
JU-Vertreter machten sich dabei zum Sprachrohr einer Bewegung gegen den im Bayer. Waldgesetz verankerten Grundsatz „Wald vor Wild“. Sie machten sich den Slogan „Wald mit Wild“ einer konservativ ausgerichteten Gruppierung zu eigen.
Eines der unglaubwürdigen Argumente der traditionellen Jagd-Seite ist die
Unterstellung, der im Bayer. Waldgesetz beschlossene Grundsatz „Wald vor
Wild“ hätte die Ausrottung des Wildes zum Ziel.
In Art.1. des Bayerischen Waldgesetzes vom 22.07.2005 (BayWaldG) steht:
Dieses Gesetz soll insbesondere dazu dienen,
- …
- einen standortsgemäßen und möglichst naturnahen Zustand des Waldes unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Wald vor Wild“ zu bewahren oder herzustellen.
Es handelt sich dabei um einen Grundsatz in der Präambel eines Gesetzes. Er bringt zum Ausdruck, dass der Wald bei der Güterabwägung zwischen dem Rechtsgut Wald und dem Rechtsgut Wild ausdrücklich Vorrang genießen soll.
Dabei sollte man bedenken, dass der Rechtsbegriff „Wild“ zunächst einmal wertneutral zu betrachten ist. Denn Wildtiere haben ein Existenzrecht wie jedes andere Lebewesen. Der Konflikt zwischen Wild und Wald ergibt sich erst aus der Bedeutung des Wildes als Jagdobjekt des Menschen, d.h. wenn man dieses Problem genauer beschreiben wollte, müsste es eigentlich heißen Wald vor Jagd.
Bayern hat dem Grundsatz „Wald vor Wild“ bereits im Jahre 2005 gesetzgeberisch Rechnung getragen.
Im Zuge der bevorstehenden Novellierung des Bundesjagdgesetzes besteht nun das Bestreben, diesen Grundsatz auch im Bundesjagdgesetz festzuschreiben.
Die der traditionellen Jagd verbundenen Verbände möchten jedoch mit allen Mitteln verhindern, dass dieser Grundsatz im Bundesjagdgesetz und ggf. in weiteren Länder-Jagdgesetzen Niederschlag findet.
Sie argumentieren, der Grundsatz „Wald vor Wild“ würde das Ziel „Wald ohne Wild“ zum Ausdruck bringen. Diese Argumentation ist unredlich. Bei allen Verbänden, die bestrebt sind, den Verbissdruck auf die Waldverjüngung zu verringern, um standortsgemäße und zukunftsfähige Wälder nachzuziehen (z.B. Waldbesitzerverbände, Bauernverband, NABU,
ÖJV, BN, …) besteht einhelliger Konsens darüber, dass das Wild ein Bestandteil der Lebensgemeinschaft Wald ist und weiterhin bleiben soll.
Es besteht einhelliger Konsens darüber, dass der Grundsatz „Wald vor Wild“ einzig das Ziel verfolgt, v.a. Schalenwild, das wegen zu hoher Bestände das Aufwachsen von Jungwald verhindert, zahlenmäßig zu begrenzen.
Weshalb wehren sich die Vertreter der traditionellen Jagd derart vehement gegen den Grundsatz „Wald vor Wild“?
Im Zentrum der herkömmlichen Jagd insbes. beim Rehwild steht der Hegegedanke. Der Revierinhaber betrachtet i. d. Regel das in seinem Jagdrevier vorkommende Wild als sein Eigentum, über welches er nach Belieben verfügen kann.
In Wirklichkeit sind Wildtiere jedoch rechtlich betrachtet herrenlos. Der Jäger erwirbt das Eigentum an dem jeweiligen Tier erst mit der Erlegung. Die weit verbreitete Denkweise bei Jäger bezüglich des Wildbestands in ihrem Revier ähnelt dabei häufig der Auffassung eines landwirtschaftlichen Tierhalters bezüglich seines Nutztierbestandes.
Die traditionelle Hege hat dabei das Ziel, möglichst viele Beutetiere in einem Revier zu halten, um nach Belieben auswählen zu können und um möglichst männliche Tiere mit entsprechenden Gehörnen vorzuhalten. Die Erlegung eines älteren „reifen“ Rehbocks gilt als besonders erstrebenswert, weshalb man jeden „noch nicht reifen“ Rehbock erst über die Jahre heranwachsen lässt.
Die Ricken werden häufig als „Rehbockgebärerinnen“ betrachtet und deshalb außerhalb der Schonzeit nicht bejagt.
Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung beim Abschuss ergibt sich auch daraus, dass viele Jäger heute weniger Zeit für den Aufenthalt im Revier zur Verfügung haben. Deshalb spielt die Beobachtbarkeit der Tiere eine immer größere Rolle.
Der Freizeitjäger will am Wochenende, wenn er endlich in sein Revier kommt, den Anblick von Wild genießen. Die Chancen für einen jederzeit sicheren Anblick von Rehwild steigen naturgemäß mit der im Revier vorhandenen Anzahl von Tieren. Außerdem reagieren Rehe sehr empfindlich auf eine stärkere Bejagung. Sie gehen bei zunehmendem Jagddruck nur noch bei Dunkelheit ihrer Futtersuche nach und sind deshalb seltener zu beobachten.
Dies alles führt zu einer betonten Zurückhaltung bei der Bejagung des Rehwildes.
Die Hege des Rehwildes, verbunden z.B. mit der teils ganzjährigen Fütterung, dient vermutlich dem subjektiven Jagdvergnügen des Jagdpächters, nicht aber unbedingt dem Wohlbefinden des Rehwildes.
In seiner 500.000 Jahre währenden Entwicklungsgeschichte hat sich das Rehwild in seiner Genetik Eigenschaften erworben, die ihm das Überleben in dunklen Wäldern sichert. Rehe wurden dabei darauf geprägt, krautige Pflanzen in vorübergehend entstandenen Waldlichtungen zur Nahrungsaufnahme zu nutzen. Je besser die Ricken ernährt waren, desto
erfolgreicher waren sie beim Gebären und bei der Aufzucht ihrer Jungen.
Rehmütter bringen daher bei reichlich verfügbarem Futter i. d. R. zwei, teils auch drei Junge und überwiegend weibliche Kitze zur Welt. Sobald sich die natürlichen Lücken im Urwald wieder geschlossen haben, wurde die Nachkommenschaft zahlenmäßig entsprechend dem geringeren Futterangebot wieder heruntergefahren. Hierbei änderte sich dann auch das Verhältnis von den weiblichen zu dann mehr männliche Jungtieren.
Diese in der Evolution erworbenen Erbanlagen, flexibel auf das Nahrungsangebot zu reagieren, kommt dem Schalenwild in der heutigen Kulturlandschaft in hohem Maße zugute. Landwirtschaftliche Flächen mit bestens nährstoffversorgten Pflanzen und einer ganzjährig verfügbaren Pflanzenmasse (Wintergetreide, Gründüngungs-Flächen) aber auch Kahlflächen im Wald (teilweise durch Sturmwürfe oder Borkenkäfer verursacht) führen dazu, dass die Rehmütter hervorragend im Futter stehen und deshalb außerordentlich erfolgreich bei der Geburt und Aufzucht ihrer Nachkommenschaft sind.
Fazit: Rehe benötigen in der heutigen Kulturlandschaft keine Hege. Ihre Bejagung bedarf keiner besonderen Zurückhaltung. Der Rehwildbestand ist auch bei einer verstärkten Bejagung gesichert, insbes. da es sich bei verstärkter Bejagung auf eine mehr nächtliche Lebensweise einstellt und damit der Bejagung erheblich entzieht.
Die traditionelle Jägerschaft ist wenig bereit, derartige Erkenntnisse der Wildbiologie anzunehmen. Sie vertritt weiterhin traditionelle Hege-Gedanken und gibt diese ständig an den von ihr ausgebildeten Jägernachwuchs weiter. Sie versucht durch „eigene“ Wildbiologen ihr antiquiertes Wissen weiter zu pflegen und schreckt auch nicht davor zurück, Vertreter des sog. Tierwohls als Ankläger gegen diejenigen Jäger zu nutzen, die ein pragmatischeres Verständnis im Umgang mit der notwendigen Regulierung der Rehwildbestände besitzen.
Sie versuchen die Verantwortung für die Nachzucht von stabilen Mischwäldern durch angemessenen Abschuss zu untergraben. Wichtig für die Zukunft wäre es allerdings, einen Ausgleich zwischen der Waldverjüngung und der Wilddichte herzustellen.
Fazit: Bestrebungen von Jägerseite, den Grundsatz „Wald vor Wild“ aus der bestehenden Regelung des Bayerischen Waldgesetzes wieder herauszunehmen, sind völlig unbegründet und somit entschieden abzulehnen.
2.) Versuche von Vertretern der traditionellen Jagd, die alle drei Jahre durchgeführten, stichprobenartigen Verbiss-Erhebungen in den Wäldern als unbrauchbar für die Bemessung der Rehwildabschüsse abzustempeln.
In Wahrheit sind die Aufnahmen zu Verjüngungsinventur statistisch unanfechtbar und von der Methode her wissenschaftlich vielfältig abgesichert und erprobt.
Das seit 1984 angewandte Verfahren wurde im Jahre 2006 einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen und als voll geeignet befunden.
Die letzte Änderung erfolgte am 06.06.2017.
Verfahrenstechnisch werden die statistischen Daten, die jeweils für eine Hegegemeinschaft erhoben und ausgewertet werden, ergänzt durch revierweise Aussagen, die jeweils gutachtlich vor Ort erstellt werden.
Traditionellen Jagdvertretern sind die in 3-jährigem Turnus erhobenen Daten und deren Auswertung im Forstlichen Gutachten deshalb ein Dorn im Auge. Damit werden die landesweit überwiegenden Defizite sichtbar, die es bei der Herstellung angepasster Schalenwildbestände immer noch gibt.
So haben die Verbisserhebungen 2018 erbracht, dass sich nur in 53 % der Hegegemeinschaften in Bayern standortgerechte Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen gegen Schalenwild erfolgreich verjüngen lassen. Nur in 4 % der Hegegemeinschaften Bayerns führte die Vegetationsaufnahme zu dem Ergebnis „günstig“. In 43 % der Hegegemeinschaften wurde der Verbiss als “zu hoch“ und in 4 % der Hegegemeinschaften als „deutlich zu hoch“ befunden.
Versuche, die dem Ziel dienen, sowohl die Verbiss-Erhebungen als auch das daraus hergeleitete Forstliche Gutachten im Wege der jagdlichen Lobby-
Arbeit als ungeeignet abzuqualifizieren und abzuschaffen, sollten daher von Seiten verantwortungsbewusster Politiker entschieden entgegengetreten werden.
3). Mit dem Argument des Tierwohls wird auf verschiedene Weise versucht, im Rahmen der Lobby-Arbeit, Einfluss auf die jagdliche Gesetzgebung zu nehmen.
Das trifft zum Beispiel beim Thema Rotwildgebiete zu. Rotwild darf nur in gesetzlich festgelegten Rotwildgebieten gehegt werden. Immer wieder verbreiten Jägervertreter die Ansicht, dies verstoße gegen das Tierwohl, da dieses „Einsperren“ in die großen Forstgebiete dem Tierwohl widerspricht. Der eigentliche Lebensraum der Hirsche wäre die offene Landschaft. Sie fordern daher die Abschaffung der Rotwildgebiete und den unbegrenzten Aufenthalt des Rotwildes im gesamten Land.
Es besteht dann die Gefahr, dass Rotwild von vielen Revierinhabern zahlenmäßig „aufgehegt“ und damit die von dieser Schalenwildart verursachten Schäden (v.a. Schälschäden) landesweit deutlich zunehmen würde.
Mithilfe der gesetzlichen Begrenzung des Rotwildes auf ausgewiesene Rotwildgebiete lassen sich diese Probleme vernünftig im Rahmen halten. Diese Zonen müssen daher unbedingt aufrechterhalten werden. Der Vollständigkeit wegen ist noch anzumerken, dass das Thema Missachtung des Tierwohls von Seiten der traditionellen Jägerinnen und Jäger gerne in
ihrem Sinne interpretiert wird, wenn es darum geht, die in größeren Waldgebieten unverzichtbaren Drückjagden als Verstoß gegen Tierschutzgrundsätze zu brandmarken oder die Bejagung des Gamswildes im Gebirge als Weg zur Ausrottung hinzustellen.
In all den oben bezeichneten Fällen möchten wir als Vertreter der Waldbesitzer darum bitten, dass sich verantwortungsvolle Politiker um eine sinnvolle Gestaltung unseres Landes kümmern. Ein Vorschlag von unserer Seite wäre, sich bei anstehenden Fragen als erstes um eine umfassende Information durch kompetente Fachgremien bemühen und eine ehrliche
Diskussion mit den Vertretern der waldbesitzenden Verbände zu pflegen.
Als kompetente Kenner der Situation können wir empfehlen: Die Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft in Freising/Weihenstephan, die Geschäftsstelle des Bayer. Bauernverbandes mit seinem für Wald- und Jagdfragen zuständigen Fachreferenten, Herrn Koch, verschiedene Damen und Herren des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, außerdem den Ökologischen Jagdverband als Vertreter einer betont „waldorientierten Sichtweise der Jagd“.
Abschließend und zusammenfassend erklären wir:
Wir Grundstückseigentümer sind die wahren Inhaber des Jagdrechts, denn das Jagdrecht ist an Grund und Boden gebunden.
Wir dürfen es im Sinne der Entstehung von künftig immer wichtiger werdenden klimastabilen Mischwäldern nicht zulassen, dass unser Waldeigentum durch Nichtbeachtung oben genannten Beispiele geschädigt wird.
Erding, 26.02.2021
- Rupert Staudhammer, Bezirksvors. ELF Oberbayern
- Josef Lohmaier, Kreisvorsitzender AG ELF Erding
- Fritz Gruber, Kreisvorsitzender Arge Jagd
- Johannes Oberndorfer, Stv. Kreisvors. Arge Jagd
- Michael Hamburger, BBV Vize-Kreisobmann Erding
- Sabine Berger, Kreisrätin, Jagdvorsteherin
Quelle: ELF
Bildquelle: Michael Hamburger
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