„Die Ausstiegswelle in der Schweinehaltung rollt trotz der inzwischen wiedererlangten Wirtschaftlichkeit unvermindert weiter. Hauptausstiegsursache ist die nach wie vor fehlende Planungssicherheit und Perspektive auf den Betrieben“, so beschreibt ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack die Lage, in der sich die Schweinehalter Deutschlands aktuell befinden. Gemeinsam mit Ferkelerzeugerin Luisa Kruthaup aus Niedersachsen, Ingenieur und Gutachter Prof. Dr. Jörg Oldenburg und dem ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes, berichtete Dr. Staack im Rahmen eines Presse-termins in Münster über die aktuelle Lage und stellte Forderungen an die Politik.

Die ersten Ergebnisse der Mai-Viehzählung, die inzwischen aus einigen Bundesländern vorliegen, machen deutlich, dass schon wieder mehr als jeder zehnte Betrieb die Schweinehaltung innerhalb nur eines Jahres aufgegeben hat. Die Corona-Pandemie, das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland und zuletzt die durch den Ukraine-Krieg turbulenten Rohstoffmärkte haben ihre Spuren hinterlassen und den Strukturbruch beschleunigt. So wurde in den vergangenen drei Jahren über ein Fünftel der Schweinehalter in Deutschland zur Aufgabe des Betriebszweiges gedrängt, während sich die Zahl der Halter in den vergangenen zehn Jahren knapp halbiert hat. „Inzwischen hat sich die Wirtschaftlichkeit in der Schweinehaltung zwar wieder zum Guten gedreht. Trotzdem steigen weiterhin tagtäglich viele meiner Berufskollegen aus“, ordnet der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes, der selbst Schweinehalter ist, die Situation ein und macht die weiterhin fehlende Planungssicherheit und Perspektive dafür verantwortlich.

Seit einem Jahrzehnt wird inzwischen über den Umbau der Schweinehaltung in der Berliner Politik diskutiert. Und nach wie vor sehen sich die Schweineerzeuger sowie deren vor- und nachgelagerte Wirtschaftsstufen mit politischer und finanzieller Unsicherheit konfrontiert, wenn es um dieses Thema geht. Daran ändern auch die jüngsten Beschlüsse im Bundestag zum Tierhaltungskennzeichnungs-gesetz und zum Baugesetzbuch vom vergangenen Freitag nicht viel: „Das Ziel der Bundesregierung, nämlich der Umbau der Tierhaltung, ist weitgehend klar – der Weg dahin jedoch noch lange nicht. Trotz der jüngsten Beschlüsse im Bundestag gibt es noch erheblichen Anpassungs- und insbesondere Abstimmungsbedarf, um das Ziel überhaupt erreichen zu können. Die Stallumbaubremse ist nach wie vor fest angezogen, weil weitere wichtige Rechtsbereiche – wie beispielsweise das Umwelt- und Emissionsrecht – noch nicht entsprechend angepasst sind. Wir befinden uns weiter in einer Situation, die weder Planbarkeit noch Perspektive bietet“, erklärt Dr. Staack.

Der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes ergänzt: „Wir können als Schweinehalter unsere Betriebe nur dann weiterentwickeln, wenn wir die notwendige Sicherheit dafür bekommen. Das gilt sowohl für Genehmigungsfragen als auch für die Finanzierung des Ganzen. Aber auch beim Thema Afrikanische Schweinepest brauchen wir Unterstützung. Denn das Risiko bei ASP-Restriktionen mit dem finanziellen Schaden allein im Regen zu stehen, ist zu groß, um die notwendigen Investitionen zum Stallumbau zu tätigen.“

Besonders kritisch ist die Situation der Sauenhalter. Sie sehen sich mit den anstehenden Fristen für die Umbauten der Deckzentren und der Abferkelställe konfrontiert. „Viele werden diese Fristen als Anlass nehmen, um genau dann aus der Ferkelerzeugung auszusteigen. Die betroffenen Landwirte, die weiter Ferkel erzeugen wollen, müssten teils mehrere Millionen investieren und das bei unklarer Finanzierungslage. Es ist also Eile geboten, um die Schweineerzeugung im eigenen Land zu halten und somit die Versorgung mit Schweinefleisch aus deutscher Erzeugung zu sichern“, fasst Dr. Staack zusammen.

Auch Luisa Kruthaup zählt zu den Betroffenen. Die Ferkelerzeugerin zeigt das Dilemma auf: „Ich muss in meinen Ferkelerzeugerbetrieb mit 450 Sauen rund 1,5 Millionen Euro investieren, um die angehobenen Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu erfüllen. Das kann ich aber nicht, wenn die Änderungen in kurzer Zeit schon wieder nicht mehr ausreichen und ich die Investition so in den Sand setze. Investieren kann ich auch nur, wenn die dadurch deutlich ansteigenden Kosten zur Erzeugung eines Ferkels am Ende wieder gedeckt werden können.“

Prof. Dr. Jörg Oldenburg hat als Ingenieur mit seinem Planungsbüro tagtäglich mit Genehmigungsverfahren zu tun.  Auch er sieht die Situation problematisch: „Die Genehmigungshürden für den Umbau eines Stalles – beispielsweise um mehr Tierwohl umzusetzen – sind natürlich betriebsindividuell auszuloten. Einfach wird es aber schon deshalb nicht, weil beim genehmigungspflichtigen Umbau die Vorgaben der bestehenden Baugenehmigung nicht mehr ausreichen, sondern in allen Rechtsbereichen die aktuellen und in der Regel schärferen Vorgaben umgesetzt werden müssen, wenn der Stall umgebaut wird.“

Zum Abschluss machte Heinrich Dierkes seine Erwartungen an die Politik klar: „Der Umbau der Tierhaltung funktioniert nicht mit Absichtserklärungen und Dialogen, die vornehmlich nur auf dem Papier stattfinden und am Ende zu wenig wirksamen Scheinlösungen führen. Der Umbau funktioniert auch nicht per Ordnungsrecht, das nur noch mehr von uns Schweinehaltern zur Aufgabe treibt. Bislang fehlte es nicht nur aus unserer Sicht am echten fachlichen Austausch und einer ressortübergreifenden Koordination mit uns existenziell betroffenen Landwirten.“

Bei dem Termin in Münster zeigte sich wiederholt der Ernst der Lage, in der sich die Schweinehalter Deutschlands befinden. Das Credo: Die Umsetzbarkeit der politischen Entscheidungen ist maßgebend für deren Erfolg.

Daher fordert die ISN von der Bundesregierung:

  1. Einen echten Dialog zwischen der Politik und betroffenen Wirtschaft und hier insbesondere den Schweinehaltern. Hier geht es nicht um neue Dialogformate. Es geht um die konkrete Koordination mit allen Ressorts, die für den Umbau der Tierhaltung relevant sind, damit endlich wirksame und umsetzbare Lösungen für die Schweinehalter dabei heraus-kommen.
  2. Eine schnelle Anpassung der Rechtsbereiche, welche die Genehmigungsprozesse beim Stallumbau auf dem Weg hin zu mehr Tierwohl nach wie vor blockieren.
  3. Einen realistischen und umsetzbaren Zeitplan, um die bei der Haltungskennzeichnung noch fehlenden Bereiche wie Fer­kelerzeugung und die weiteren Absatzkanäle schnellstmöglich nachzuziehen und auch für eine Herkunftskennzeichnung zu sorgen.
  4. Eine entsprechendes Finanzierungskonzept, welches den Schweinehaltern langfristig eine wirtschaftliche Um­setzung höherer Tierwohlstandards ermöglicht.

Quelle: ISN

Bildquelle: ISN


Entdecke mehr von Moderner Landwirt

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.