Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 25. Juni (mehr als vier Monate nach der Urteilsverkündung am 22. Februar) der Interessengemeinschaft Sandsteinkeuper Höchstadt-Bamberg  endlich die schriftliche Urteilsbegründung übermittelt. 

Dazu sagt Thomas Pfeiffer (Schriftführer der IG):

Nach ausführlicher Beratung mit unserem Rechtsanwalt Vorwalter aus München werden wir nun zusammen mit unseren IG-Mitgliedern entscheiden, ob wir mit der Revision in die nächste Instanz zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig ziehen. 

Folgende Punkte sehen wir vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht ausreichend gewürdigt und werden die Ausführungen dazu weiter kritisch prüfen: 

 1. Verfahrensfehler bei der strategischen Umweltprüfung

Bei Änderung der Bundesdüngeverordnung im Jahr 2020erfolgten massive Verfahrensfehler, die auch zur Unwirksamkeit der bayerischen Rotgebietsausweisung führen könnten. Zahlreiche Landwirte hatten 2020 Einwendungen im gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungsverfahren eingebracht. Auch die Bayerische Staatsregierung hatte massive fachliche Bedenken und z.B. einen Änderungsantrag zur sogenannten Zwischenfruchtdüngung ins Bundesratsverfahren eingebracht, leider ohne Erfolg. Die Verfahrensfehler sind relevant und eine wirksame Heilung ist nach Auffassung der IG nicht erfolgt.

 2. Ausgleichsanspruch für betroffener Betriebe

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkennt zwar grundsätzlich an, dass Ausgleichsansprüche bei erheblichen Umsatzeinbußen notwendig sein könnten, möchte solche Umsatzeinbußen aber konkret nicht erkennen. Die ablehnende Begründung des Gerichts (Randziffer 47) wonach die im Normenkontrollverfahren von unserer IG vorgebrachten Gutachten keine sogenannte Fallgruppen mit Umsatzeinbußen im zweistelligen Prozentbereich aufzeigen,teilt die IG nicht. Beispielsweise zeige das vorgelegte öffentlich zugängliche (vom nordrhein-westfälischen Landtagbeauftragte) Gutachten „Auswirkungen umweltpolitischer Auflagen auf die nordrhein-westfälische Landwirtschaft Zustand und Perspektive im internationalen Vergleich vom 03.05.2021“, dass es bei den begutachteten Beispielsbetrieben mit einem Rotgebietsanteil von „nur 15 %“ bereits zu zweistelligen Einkommensverlusten durch die Düngeauflagen kommt. Das zusätzlich eingereichte Gutachten zu bayerischen Betrieben wurde vom Gericht in der Urteilsbegründung ebenfalls nicht hinreichend gewürdigt, rügt die IG.

 3. Unbegründete Zusatzbelastung bei „Randgebietsflächen“

Rand-Feldstücke die mit mehr als 20 % innerhalb der roten oder gelben Gebietsgrenzen liegen, werden komplett zur Schutzgebietsfläche erklärt. Das Gericht sieht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch (gerade) noch als gewahrt an. Die gegenteilige, zu Wasserschutzgebieten ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des für Wasserrecht zuständigen Senats beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof möchte der Gerichtshof mangels Vergleichbarkeit nicht anwenden. Weiter ist der Gerichtshof der Meinung, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass von dem nicht belasteten 80 %-Anteil eines Grundstücks eine Einwirkung auf das Grundwasser ausgehe. Damit wird die „Beweislast“, dass vom Flächenanteil außerhalb der ermittelten Gebietsgrenze eine Beeinträchtigung für das Grundwasser bzw. das Oberflächengewässer erfolge, auf den Kläger verschoben.Dies ist inakzeptabel und mit effektivem Grundrechtsschutz unvereinbar.

Die IG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Messtellenausbau in Bayern voranschreitet. Bei der nächsten Ausweisung werden die Gebiete vermutlich kleinteiliger. Der Anteil der streitgegenständigen Randgebietsflächen wird sich dadurch erhöhen und nicht verringern!

 4. Grundstückseigentümer können ihre Betroffenheit nicht ausreichend erkennen

Sehr viele landwirtschaftliche Grundstücke in Bayern sind gepachtet. Der Eigentümer kennt in der Regel seine Flurstücksnummern und -grenzen. Das Bundesrecht schreibt aber vor, dass das jeweilige Bundesland die landwirtschaftlichen Flächen genauso als Rot- und Gelbgebiete ausweisen muss, wie diese im landwirtschaftlichen Agrarfördersystem des Bundeslandes angelegt sind. In Bayern sind dies die sogenannten Feldstücke. Feldstücke können aus mehreren einzelnen Flurstücken bestehen, ohne dass der Grundstücksbesitzer davon Kenntnis hat. In Baden-Württembergs Agrarfördersystem wird jedoch nach Flurstücken abgegrenzt. Nach Meinung der IG kann es nicht sein, dass die Bundesvorschrift Bayern die Ausweisung je Flurstück nur zugesteht, wenn es zuerst sein bisheriges Agrarfördersystem komplett umstellt.

Quelle: Thomas Pfeiffer Schriftführer der IG

Bildquelle: Moderner Landwirt-Archiv


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