Sticht die Wandersandzirpe (Psammotettix alienus) eine Weizenpflanze an, um Pflanzensaft zu trinken, kann das fatale Folgen haben: Zusammen mit ihrem Speichel kann die Zikade das Weizenverzwergungsvirus (Wheat Dwarf Virus, WDV) übertragen. Je nach Alter der Pflanze zum Zeitpunkt der Infektion sinkt der Ertrag mindestens um 30 Prozent, sogar ein Totalausfall ist möglich. Forschende des Julius Kühn-Instituts (JKI) haben nun 500 Weizenvarianten, darunter Sorten, Genbank-Akzessionen und Wildarten, auf ihre Resistenz gegen das Virus untersucht. Die Wildarten erwiesen sich dabei als ähnlich anfällig wie moderne Sorten, was darauf schließen lässt, dass die Züchtung keinen Verlust von Resistenzgenen bewirkt hat. Mehr als die Hälfte der untersuchten Varianten gingen durch die Infektion ein. Zwei als resistent beschriebene ungarische Sorten zeigten mit einer Infektionsrate von 21,5 und 34,5 Prozent lediglich eine gewisse quantitative Resistenz gegenüber der Viruserkrankung. Eine annähernd vollständige Resistenz entdeckten die Forschenden allerdings in der russischen Winterweizensorte „Fisht“, die lediglich zu 5,7 Prozent infiziert wurde. Das beschreiben sie in ihrer aktuellen Publikation im Open-Access-Journal „Frontiers in Plant Science“.
Die sogenannte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) des JKI brachte aber noch mehr zum Vorschein: „Wir haben erstmals QTL bestimmen können, die mit geringen Ertragsverlusten durch das Virus assoziiert waren“, erklärt Anne-Kathrin Pfrieme, die am JKI-Fachinstitut für Resistenzforschung und Stresstoleranz ihre Doktorarbeit zum Thema anfertigt. QTL (engl. quantitative trait loci) sind Abschnitte im Genom, die mit quantitativen Merkmalen in Verbindung stehen – Eigenschaften wie Größe, Gewicht oder eben Krankheitsresistenz. Diese graduell messbaren Eigenschaften sind das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener Gene. Von den 35 zuerst identifizierten Gen-Orten blieben nach Tests 14 übrig, die sich konstant mit geringen Ertragsverlusten durch Infektionen mit dem Weizenverzwergungsvirus in Verbindung bringen ließen. „Mit Hilfe genetischer Marker könnten diese QTL künftig in Eliteweizenlinien eingekreuzt werden, um so resistente Sorten zu erzeugen“, beschreibt Pfrieme die Bedeutung ihrer Forschungsergebnisse für die Praxis. Das Interesse verschiedener Züchtungsunternehmen, welche gemeinsam mit der Gesellschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e.V. an der Forschung beteiligt waren, sei groß, zumal das Virus nicht bekämpft werden kann und gegen die Zikade, die es überträgt, innerhalb der EU kein Pflanzenschutzmittel zugelassen ist.
Hintergrund
Viele Zikaden- und Blattlausarten profitieren vom Klimawandel, weil die höheren Temperaturen ihnen eine längere Aktivitätszeit und zum Teil eine zusätzliche Generation von Nachkommen ermöglichen. Das hat jüngst eine Erhebung mit einer Insektensaugfalle am JKI-Standort Quedlinburg erneut belegt. Gerade die Region des westlichen Sachsen-Anhalts ist hierbei besonders vom Klimawandel in Form von Temperaturanstieg und Trockenheit getroffen. Dabei nehmen auch die von diesen Vektoren übertragenen Viruskrankheiten zu.
Das Weizenverzwergungsvirus breitete sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in ganz Europa aus. Es befällt neben Weizen auch Gerste und andere Getreide. Heute zählt es zu den bedeutenden Getreidekrankheiten in Europa, Asien und Afrika. Übertragen wird es im Herbst durch erwachsene Wandersandzirpen (Psammotettix alienus). Eine Sekundärinfektion durch Nymphen der Zikade ist im Frühjahr möglich. Eine Infektion äußert sich durch gestreifte Einfärbung der Blätter, Chlorose, verringerte Zahl an Ähren, reduzierte Winterfestigkeit und das Absterben von Pflanzen in frühen Entwicklungsstadien.
Da Viren sich nicht mit Pflanzenschutzmitteln bekämpfen lassen und zum Teil auch Wirkstoffe für einen umweltverträglichen Einsatz gegen die Vektoren fehlen, bekommt die Züchtung von Sorten, die resistent gegen die Krankheitserreger sind, eine zunehmende Bedeutung.
Quelle: JKI
Bildquelle: JKI
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