Eine Informationsveranstaltung mit Besichtigung zur Stalleröffnung am 21. April 2023 in Neuenstein-Lohe zeigt eine völlig neue Haltung für Kaninchen. Mehr Platz, Außenklima und Einstreu sind neu in der gewerbsmäßigen Haltung von Kaninchen. Europaweit einzigartig geht das Projekt zum Thema Tierwohl mitten in Hohenlohe in Betrieb und ist gleichzeitig ein Probelauf. Sieben europäische Projektpartner haben es zusammen konzipiert und werden die Ergebnisse auch anderen Landwirten zur Verfügung stellen. Sie betreten damit Neuland und zeigen gleichzeitig den Wandel in der Landwirtschaft. Das geht nur in einer guten Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette.

Thomas Bauer erklärt anlässlich der Stalleröffnung das Projekt EIP AGRI und das System der Haltungsstufen

„Wie nehmen die Tiere den neuen Außenbereich und die Einstreu an?“, diese Frage stellt sich nicht nur der Projektkoordinator Thomas Bauer. Das Wohl der Tiere liegt den Inhaberfamilien der ‚Thomas Bauer Kaninchenzucht‘ und der ‚Bauer Kaninchen Spezialitäten GmbH‘ seit Jahren am Herzen. Mit dieser Verantwortung, zum Beispiel durch die Fütterung mit nährstoffreichem und garantiert gentechnikfreiem Futter, mit boden- und artgerechter Haltung, gehen die jungen Bauern immer wieder innovative Projekte an. Zusammen mit Kooperations- und Marktpartnern werden nun schon zum zweiten Mal in einem sogenannten ‚EIP-Agri-Projekt‘, Ideen geprüft und Lösungen erarbeitet‚ die für die Branche Maßstäbe setzen werden.

Lochblech für den Außenklimareiz mit zusätzlicher beweglicher Plan (außen) zum Schutz vor Sonne und Kälte

Projektstart für das neue ‚EIP-Agri-Kaninchen 2-Projekt ‘ war im Herbst 2021. Es hat zum Ziel, ein gut funktionierendes System der ‚Initiative Tierwohl‘ zur Aufzucht von Kaninchen mit der Haltungsstufe 3 und Außenklimareiz zu entwickeln und zu erproben. Koordinator und Lead ist Thomas Bauer als Inhaber der ‚Thomas Bauer Kaninchenzucht‘. Allen Partnern geht es in diesem europäisch einmaligen und innovativen Projekt darum, herauszufinden, was das Beste für die Tiere ist. In Folge werden diese fundierten Erkenntnisse anderen Kaninchenhaltern zur Verfügung gestellt. „Wir wollen zeigen, dass wir uns ständig weiterentwickeln. Die Haltung der Tiere mit Außenklimareiz und Einstreu ist nach der Umstellung von Käfig- auf Bodenhaltung nun die nächste große Herausforderung für die Branche“, sagt Thomas Bauer stellvertretend für die sieben Projektpartner.

„Die härteste Nuss war es, das Grundkonzept zu erarbeiten“, erklärt Thomas Bauer. „Wir hatten mehrere Entwürfe für diese nicht herkömmliche Stallkonzeption und haben im Team unterschiedliche Varianten erwogen.“ Die Arbeitsgruppe rund um das Thema ‚Haltungsstufe 3 in der Kaninchenzucht‘ betritt damit absolutes Neuland und ist sich bewusst, dass nicht alle Pläne und Ideen funktionieren werden. Wie auch immer, die Ergebnisse werden in jedem Fall als wertvolles Wissen der Branche zur Verfügung stehen. Dafür sorgt auch Susan Loske von der Technischen Hochschule Bingen. Sie begleitet das Projekt als angehende Doktorandin und als Assistentin des Studienganges Agrarwirtschaft. Ihr ist es ein großes Anliegen, auch für diese empfindlichen Tiere, sie sagt: „Kaninchen sind absolute Mimosen“, auf eine optimierte Haltungsstufe umzustellen. „Mich interessiert besonders, ob und wie sie untereinander agieren, wenn sie in diesen neuen Ställen leben. Werden sie sich in der Gruppe anders verhalten? Welche Einstreu wird die richtige sein und wo liegen die Unterschiede?“, so erklärt sie die wissenschaftlichen und praktischen Ansätze. Dafür wird sie selbst viel vor Ort auf dem Hof in Neuenstein sein, aber auch modernste Kamera- und Computertechnik und intelligente Systeme zur Auswertung des Tierverhaltens nutzen. Darauf spezialisierte Start Up`s und die Veterinärmedizinische Universität Wien mit Studierenden aus dem Bereich ‚Digitalisierung in der Landwirtschaft‘ werden Susan Loske dabei unterstützen.

Der fast fertige Außenbereich – wenige Tage vor der Eröffnung

Im Land Baden-Württemberg konzentrieren sich viele der deutschen Kaninchenzüchter. So ist die Inbetriebnahme des neuen Stalles für Dr. Kurt Mezger, Abteilungspräsident Landwirtschaft im Regierungspräsidium Stuttgart, ein ganz besonderer Moment. „Wenn alle sagen: Das geht nicht, dann braucht es das besondere Engagement – wie das der Familie Bauer – und eine fruchtbare Zusammenarbeit. Nur so können wir Brücken zwischen der Forschung und der Praxis bauen“, sagt er nicht ohne Stolz. Das Ministerium unterstützt und arbeitet nach seinen Worten eng mit Züchtern zusammen, um eine artgerechte Haltung und mehr Tierwohl zu fördern UND wirtschaftliches Arbeiten der Landwirte in der Region zu sichern. „Hier sind echte Profis am Werk und ich danke ausdrücklich für das Engagement und die Zuversicht aller Projektpartner“, schließt er sein Grußwort zur Stalleröffnung. 

Von links nach rechts, vordere Reihe sitzend: Anna Spiess / Kaufland, Susan Loske / TH Bingen, Verena und Thomas Bauer / beide Thomas Bauer Kaninchenzucht, Michael Bauer / Bauer Kaninchen Spezialitäten GmbH;
v.l.n.r. beide hintere Reihen stehend: Karl-Michael Nicklas / Bürgermeister Neuenstein, Dr. Kurt Mezger / Abteilungspräsident Landwirtschaft im Regierungspräsidium Stuttgart, Andrea Giacomel / Meneghin (Partner und Kaninchenstallhersteller), Pierpaolo Bredariol / Meneghin, Jürgen Vedder/ Geschäftsführer Mifuma, Dr. Thomas Pyczak / Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Referatsleiter Tierschutz
Dr. Harry Arts / Farmarts, Julian Haas / Kaufland; Egbert Unger / Kaufland, Claudia Bauer / Bauer Kaninchen Spezialitäten GmbH;

Anna Spieß, bei Kaufland verantwortlich für Tierwohlthemen und Haltungsformen, sieht den Handel klar als Partner. Die Transformation in der Landwirtschaft kann kein Marktpartner allein schaffen, weiß sie. Sie betont anlässlich der Eröffnung des neuen Stalles mit Haltungsstufe 3 in der Kaninchenzucht: „Wir wünschen uns hochwertige Produkte aus den jeweiligen Regionen und freuen uns ausdrücklich, wenn unsere Partner, wie die Familie Bauer, sich auf diese Weise weiterentwickeln. Wir sind alle sehr gespannt und was sich bewährt wird Vorbild“, freut sich die junge Vertreterin des Handelspartners. 

Die Sicherung der regionalen Kaninchenbranche liegt dem Projektkoordinator des ‚EIP-Agri-Kaninchen 2-Projektes‘ Thomas Bauer naturgemäß sehr am Herzen. Praxistauglich für die Tiere, die Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden und wirtschaftlich zugleich. „Denn wenn wir es machen, machen wir es richtig. Aber nun hoffen wir erstmal, dass es gut funktioniert und für unsere Kaninchen eine Bereicherung ist.“

SERVICE ZUM PROJEKT: Die ‚EIP-Agri Kaninchen 2‘ ist eine europäische operationelle Gruppe, die sich aus sechs Unternehmen und einer Universität innerhalb der Wertschöpfungskette – vom Erzeuger, den Vermarktern bis zum Einzelhandel – unter Einbeziehung der Wissenschaft zusammensetzt. Projektstart war im Oktober 2021 mit einer Laufzeit von gesamt drei Jahren. Die internationalen Projektpartner sind unter anderem die ‚Thomas Bauer Kaninchenzucht‘, die ‚Bauer Kaninchen Spezialitäten GmbH‘, die Tierärzte der ‚Farmarts‘, die ‚mifuma / Mischfutter Werke Mannheim GmbH‘, der ‚Meneghin S.r.l Anlagenbau‘ aus Italien und die Technische Hochschule Bingen. Die ‚Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG‘ begleitet das Projekt als langjähriger Marktpartner und ist Gründungsmitglied der ‚Initiative Tierwohl‘ des Handels. Unterstützung sichert zudem das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg.

HALTUNGSTUFE 3 bei BAUER-KANINCHEN: Der neue Stall in Neuenstein-Lohe hat eine Gesamtgröße von 10 x 25 Meter. Er verfügt über ein Kammer System und sechs Boxen – mit je einer Innen Box von 3×4 Metern und einer Außen Box von 3×3 Metern Größe. Die Tiere werden sowohl im Sommer als auch im Winter ab einem Alter von 35 Tagen für jeweils 42 Tage hier leben. Im Außenbereich garantiert eine Front mit Lochblechverkleidung und einer zusätzlich beweglichen Plane aus halbtransparentem Material zum einen die frische Luft, aber auch den Schutz gegen Sonne und Kälte für die sensiblen Tiere. Im Bereich mit Außenklimareiz, so der Fachbegriff für die Außen Boxen, werden versuchsweise unterschiedliche Materialien eingestreut. Das werden Stroh, Hobelspäne, Holzpellets und andere lose Einstreu sein. Die Tiere und Ihr Verhalten werden zu Forschungszwecken mit mehreren Kameras beobachtet. Die parallele Auswertung für valide Daten erfolgt mit Hilfe von computergestützten KI-Systemen. Ein Technikraum und ein umlaufender Gang ermöglichen den jungen Landwirten und ihren Mitarbeitenden die Kontrolle der automatischen Klima- und Lichtsteuerung, der Fütterung, Reinigung und persönliche Rundgänge. Bis zu 180 Tiere werden zukünftig je Box leben. Sie haben damit 40% mehr Platz – im Vergleich zum gesetzlichen Standard.

Quelle: Dagmar Alberti
Bildquelle: Thomas Bauer Kaninchenzucht


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